„Hier spricht Berlin“ – Neuanfang vor 75 Jahren

Als „das neue Wahrzeichen des Berliner Nordens“ bejubelte die Berliner Morgenpost den neuen Sendemast in Tegel am 20. Dezember 1933, dem Tag der Inbetriebnahme. Der zunächst 165 Meter hohe Holzturm in der Seidelstraße wurde sieben Jahre später der Statik wegen auf eine Höhe von 86 Meter gestutzt. Von hier strahlte die „Funk-Stunde Berlin“, später der Reichssender Berlin, sein Programm bis in die letzten Kriegswochen im April 1945 aus.

Als die Sowjet-Armee in Berlin einmarschierte, besetzte sie noch vor der endgültigen Niederlage des Deutschen Reiches die Sendeanlage und das Haus des Rundfunks in der Masurenallee. Fünf Tage nach der deutschen Kapitulation erklang im Radio am Abend des 13. Mai 1945 die erste Sendung aus der Hauptstadt nach dem Krieg. In der rund einstündigen Übertragung herrschte noch traute Einigkeit zwischen den vier Siegermächten: Erst wurde die sowjetische Hymne gespielt, gefolgt von der US-amerikanischen, britischen und französischen. Nach der Verlesung der deutschen Kapitulationserklärung und von Botschaften Stalins, Churchills und Trumans ging es mit einem Bericht über die Siegesfeier in Moskau weiter, danach erklang russische Folklore. Keine Woche später betrug die Sendezeit bereits 18 Stunden.

Auf Plakaten wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, Schallplatten und Noten für die neue Radiostation beizusteuern, besonders erwünscht waren Werke von unter dem NS-Regime verfemten Komponisten. Auch Sprecher und Musiker wurden gesucht. Da in den Zeiten des Mangels Lebensmittel als Lohn besonders begehrt waren, legten die Sowjets ein Lager im Funkhaus an, um die Mitarbeiter in Naturalien zu bezahlen.

Nach der Aufteilung der Stadt in vier Sektoren wurde die Lage für den Sender komplexer, denn die Rundfunkanstalt lag nun im britischen Teil, die Sendeanlage im französischen, das Verstärkeramt im amerikanischen, und die Sowjets überwachten den Inhalt. Den Westmächten missfiel mehr und mehr die kommunistische Propaganda. Vor dem Gebäude in der Masurenallee warnten bald Schilder mit der Schlagzeile: „Achtung, dies ist kein Westsender!“

Die Amerikaner starteten 1946 als politischen Gegenpol den RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) und die Briten 1954 den SFB (Sender Freies Berlin).

Die französische Führung beschloss 1948 den Sendemast in Tegel abzureißen und begründete das mit der Gefährdung des zunehmenden Flugverkehrs während der Berliner Luftbrücke auf dem nahegelegenen Flughafen. Sie setzten der sowjetischen Besatzungsmacht ein Ultimatum von vier Wochen für die Demontage. Als diese nicht reagierte, sprengten die Franzosen schließlich den Turm, wobei der Rest der Anlage nahezu unzerstört blieb. Unmittelbar darauf baute die sowjetische Armee innerhalb von drei Tagen die gesamte Technik ab und brachte die schwere Gerätschaft ins Funkamt nach Königs-Wusterhausen. Dort wurde in aller Eile alles wieder aufgebaut. Ab 1952 wurde das Programm des Berliner Rundfunks, der nach der Wiedervereinigung zum Privat-Radiosender Berliner Rundfunk 91,4 wurde, in dem neuen DDR-Funkhaus in Oberschöneweide produziert. An der Stelle der abgerissenen Sendeanlage in der Seidelstraße 49 befindet sich heute eine Außenstelle der Bundesnetzagentur.bod

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.