Spannender historischer Ort ist eingestürzt

Reinickendorf – Am S-Bahnhof Schönholz ist ein Teil der ursprünglichen Berliner Mauer eingestürzt. Nach Einschätzung des Heimatforschers Christian Bormann, der vor fünf Jahren die Existenz dieser Grenzanlage öffentlich gemacht hat, waren unsachgemäß gelagerte Baumstämme die Ursache.

„Die Mauer muss weg“ war einer der bekanntesten Rufe der Menschen, die sich vor 1989 in der DDR nicht mehr bevormunden lassen wollten. Im vergangenen Mai hat sich diese Forderung nochmal auf spektakuläre Weise erfüllt, und zugleich ein Kuriosum der deutschen Teilung erheblich beschädigt.

Wer vor 1989 auf der heutigen S-Bahnlinie 1 in Reinickendorf und Wedding unterwegs war, dem war bewusst, dass er dicht an Ost-Berlin vorbeifuhr. Wie der Osten im Bereich des S-Bahnhofes Schönholz abgeriegelt war, entzog sich jedoch dem Blick. Erst die Recherchen von Christian Bormann machten 2018 bekannt, dass dort bis heute noch ein Teil der ursprünglichen Mauer stand. 1961 hatten die Grenzschützer der DDR vorhandene Gebäudeteile an der Budde- und Schützenstraße in die Abriegelung vom Westen eingefügt.

57 Jahre später hatte sich die Natur dieses Bereiches bemächtigt. Wer sich die Ursprungsmauer ansehen wollte, musste sich durch einen Grünstreifen arbeiten, der auf den Durchschnittsstädter fast schon wie ein Urwald wirkte, der uralte Ruinen nur widerwillig preisgab.

Und noch etwas Kurioses fand Christian Bormann heraus. Durch einen Gebietsaustausch im Jahr 1988 war die Ursprungsmauer ein Reinickendorfer Bauwerk geworden. Der Bezirk ließ das historische Kuriosum nach dessen Bekanntwerden mit einem Zaun sichern.

Doch mehr als eine Aufnahme in die Berliner Denkmalliste erfolgte nicht. Überlegungen, die Schönholzer Mauer in das Gedenkkonzept der Berliner Mauer aufzunehmen, kamen über erste Ansätze nicht hinaus – von einer baulichen Sicherung ganz zu schweigen. Noch 2020 hieß es in einer Antwort der Senatsverwaltung für Umweltschutz, Verkehr und Klima auf eine Anfrage des damaligen SPD-Abgeordneten Torsten Hofer zum Mauerweg, dass im Bereich von Schönholz keine historischen Mauerreste mehr vorhanden seien, Immerhin: Ein Projekt des Thomas-Mann-Gymnasiums zu dem besonderen historischen Ort wurde von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich gewürdigt.

Die Chance, einen spannenden historischen Ort dauerhaft für Geschichtsinteressierte zu öffnen, ist jetzt im wahrsten Wortsinn eingestürzt. Auf dem Bahndamm lagernde Stämme von Bäumen, die aus Sicherungsgründen gefällt werden mussten, rollten bei Sturm von dort herunter und rissen einen Teil der ehemaligen Hinterlandmauer hinunter auf den Waldboden.

Damit ist das ursprünglich rund 80 Meter lange Denkmal noch kleiner geworden. Weitere statische Probleme könnten zum kompletten Verschwinden des Denkmals führen, fürchtet zumindest der Heimatforscher Christian Bormann. Er hat wegen des Vorfalls Anzeige gegen die Deutsche Bahn wegen Sachbeschädigung erstattet. Und die hat sich auch schon ihm gegenüber geäußert: Sie sei nicht zuständig, denn der Damm, von dem die Bäume stürzten, gehöre ihr nicht.

cs

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.