Kirche, Kunst und Kalkstein

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, heißt es bekanntlich. Ein eindrückliches Beispiel für diese Weisheit findet sich in der Mariä-Unbefleckte-Empfängnis-Kirche in Perleberg, wo sowohl Werke der Künstlerin Maria Brandenburg als auch ihres Sohns Paul unter einem Dach vereint sind. Pauls Vater Leo kam im Ruhrgebiet zur Welt und studierte Jura. Wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat er der NSDAP bei und ging 1937 mit seiner Familie als Richter nach Leipzig. 1946 starb er in Kriegsgefangenschaft.

Da war Paul, der zweit­älteste Sohn, 15 Jahre alt. Nach dem Abitur wurde ihm aus politischen Gründen ein Studium an der Kunstakademie nicht gestattet. Daher machte er eine Lehre als Steinbildhauer und beschäftigte sich umfassend mit den verschiedensten Materialien, von Keramik über Beton bis Bronze. Er erlernte Holzschnitzerei, Töpferei und Metallguss.

1952 verließ er die DDR und ließ sich in West-Berlin nieder, wo er sich weiter handwerklich ausbilden ließ. Drei Jahre später kam er an die Hochschule für Bildende Künste in Charlottenburg, in die Bildhauerklasse von Paul Dierkes. Der Professor im Fachbereich Holz und Stein war ein renommierter Bildhauer, von dem unter anderem das Kreuz auf dem Turmneubau neben der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche stammt. Auch für Paul Brandenburg bekam die Arbeit für Sakralbauten besondere Bedeutung. Für viele katholische Gotteshäuser in ganz Deutschland kreierte er Teile der Innenausstattung. Doch auch im Freien sind zahlreiche Werke von ihm anzutreffen, zum Beispiel sein Sonnenlabyrinth in der Neheimer Straße in Tegel.

Ein etwas kurioses Denkmal des Künstlers Georg Roch erneuerte Paul Brandenburg 1963, das ursprünglich den Brieftauben des Ersten Weltkriegs gewidmet war – rund 120.000 Vögel sollen umgekommen sein. Für den hohen Materialbedarf im Zweiten Weltkrieg wurde der Vogelschwarm aus Metall eingeschmolzen, der zuvor den Granitstein zierte. Erst 20 Jahre später fertigte Brandenburg wieder fliegende Tauben in einer etwas reduzierten Version.

Ein vom Maler Otto Dix in französischer Kriegsgefangenschaft geschaffenes Triptychon wurde 1987 von der Stadt Berlin erworben und befindet sich seitdem in der Maria-Friede-Kirche in Marienfelde, die daraufhin wegen dieses Kunstwerks zur katholischen Wallfahrtsstätte bestimmt wurde. Brandenburg schuf eine gläserne Vitrine für das Bild, die allerdings nach dessen Renovierung 2016 durch einen technisch modernisierten Glaskasten zur besseren Klimatisierung und Diebstahlsicherung ausgetauscht wurde.

Für den Standort vor dem Olympiastadion schuf Brandenburg seit 1972 alle vier Jahre eine neue Stele mit den Namen aller deutschen Sieger, eine Tradition seit 1936. Die weltweit sehr begehrten Blöcke aus Muschelkalkstein in geeigneter Qualität zu besorgen erwies sich als nicht ganz einfach.

Im Alter wurde sein Augenlicht immer schwächer. Als seine Frau im März 2022 starb, mit der er in Frohnau wohnte, blieb dem Witwer nicht einmal mehr ein halbes Jahr. Er verschied am 8. August im Alter von 91; begraben liegt er auf dem Reinickendorfer St.-Hedwig-Friedhof. In der St.-Hildegard-Kirche in Frohnau stammt die Ausstattung des Altarraums von Paul Brandenburg, dessen künstlerische Spuren an so vielen Orten an ihn erinnern.

bod

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.