Grüner Bezirk soll noch grüner werden

RAZ: Die Stadt hat schon mehrere Jahre hintereinander mit zu heißen und zu trockenen Sommern zu kämpfen. Wie steht Rei­nickendorf im Vergleich zu anderen Bezirken da?

Grundsätzlich sind wir beim Thema Klimaanpassung als Randbezirk mit viel Vegetation, Waldanteil und mehr als einem Drittel der Bezirksfläche an Gewässern sehr gut ausgestattet. Die Innenstadtbezirke sind im Hinblick auf die Wärmeinsel-Effekte und sehr hohe gefühlte Temperaturen und viel mehr versiegelte Flächen stärker auf Klimaanpassungsmaßnahmen fokussiert. In unserem Klimaschutzkonzept haben wir hauptsächlich CO2-Reduktionsmaßnahmen aus dem Energie- und Verkehrsbereich verankert. Es sind vereinzelte Klimaanpassungsmaßnahmen wie Fassadenbegrünung oder die Etablierung eines Hitzeaktionsplans benannt.

Die Ortsteile in Richtung Stadtmitte – Reinickendorf und Tegel, aber auch die drei Quartiersmanagementgebiete – sind durch verschiedene Mehrfachbelastungen wie ein geringerer Anteil an Grünflächen, Lärmbelastung, höheres Verkehrsaufkommen und Luftbelastung stärker im Fokus. So sind wir beispielsweise auf der Suche nach Immobilieneigentümern, die gewillt sind, eine Fassadenbegrünung – gefördert zu ca. 70 Prozent durch das GründachPlus-Programm – umzusetzen in einem solchen Gebiet wie im Auguste-Viktoria-Kiez. In Kürze wird eine berlinweite Kampagne mit Hinweisen für die vulnerablen Bevölkerungsgruppen auch im Fuchsbezirk mit Informationsmaterial und Tipps für die besonders heißen Tage an die Öffentlichkeit gehen.

Was unternimmt der Bezirk, um den Klimawandel zu entschleunigen?

Die wirksamste Maßnahme ist die Reduzierung der CO2-Emissionen. Als Gesellschaft kommen wir nicht darum herum, aktiv Lösungen für den Wandel im Energie- und Verkehrs- sowie im Gebäudebereich zu überlegen. Es müssen alle Sektoren aktiv sein – auch wir als Einzelpersonen. Das Straßen- und Grünflächenamt teilt mit, dass leider mehr Bäume abgängig sind als nachgepflanzt werden können. Es werden nun klimaresiliente Bäume angepflanzt.

Wo werden Flächen entsiegelt?

Entsiegelungen erfolgen da, wo es möglich ist, und das Straßen- und Grünflächenamt hat bereits erste Maßnahmen am Nordgraben umgesetzt. Sowohl Naturschutzfachgesetze wie auch Baugesetze fordern einen schonenden Umgang mit dem Boden und eine möglichst geringe Versiegelung. Berlin wächst weiter, was zu mehr Versiegelung führt. Um an anderer Stelle zu entsiegeln und zu begrünen, wird in Lübars eine neue Ökokontofläche entwickelt. In den Baugenehmigungen wird auf eine möglichst geringe Versiegelung hingewirkt. Außerdem werden in Bebauungsplänen intensiv begrünte Flächen, Dach- und Fassadenbegrünungen als Maßnahmen zur Klimaanpassung festgesetzt. Übrigens können Photovoltaik-Anlagen und Gründächer sehr gut miteinander kombiniert werden.

Wie weit ist die Umsetzung des Maßnahmenplans „CO2-neutrale Verwaltung“ erfolgt?

Die Serviceeinheit Facility Management des Bezirksamts hat durch die Unterzeichnung des dritten Solarpaketes mit der Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH einen wichtigen Schritt für den Klimaschutz in Reinickendorf vorangetrieben. Dadurch werden acht zusätzliche Photovoltaikanlagen für grünen Strom vom Dach sorgen. Weitere Photovoltaik-Anlagen werden sukzessive errichtet.

Bis 2030 soll die Verwaltung klimaneutral arbeiten. Was haben Sie bisher erreicht?

Eine der größten Herausforderungen für die Reinickendorfer Bezirksverwaltung ist die Umgestaltung der bezirklichen Verwaltungsmobilität. Es gibt bereits eine E-Bike-Fahrradstaffel des Ordnungsamtes und zentral beschaffte, buchbare E-Bikes sowie Dienstfahrräder am Rathaus Reinickendorf und der Teichstraße. Es gibt bereits E-Fahrzeuge in der Poststelle, dem Sport- und Jugendamt. Einige Dienstwagen werden mit CNG betrieben und haben somit einen geringeren CO2-Ausstoß. Der Dienstwagen der Bezirksbürgermeisterin ist ein Plug-In-Hyprid. Zudem gibt es das Angebot für alle Beschäftigten zur Nutzung eines steuerlich vergünstigten Job-Tickets der BVG – nun Deutschlandticket.

Wie setzen Sie das im Klimaschutzprogramm verankerte Ziel, die bezirklichen CO2-Emissionen zu reduzieren, um? Das Programm hatte bis 2021 rund 100 Maßnahmen avisiert.

Dieses Programm hat ganz Berlin im Blick, und nicht alle Maßnahmen werden von den Bezirken allein  umgesetzt. Ein zentrales Vorhaben, das der Bezirk Reinickendorf umgesetzt hat, ist die Maßnahme „Sharing Economy“ und „Förderung der Radverkehrsinfrastruktur“ sowie „Ausbau von wohnortnahen Verleihstationen“ mit dem kostenlosen Lastenrad-Verleih. Weitere Maßnahmen zielen darauf ab, Solarpotenziale zu heben. Dies wird vom Energiemanager im Bezirksamt kontinuierlich vorangetrieben durch den Aufbau von Photovoltaik-Anlagen auf bezirklichen Liegenschaften. Im Rahmen von Bebauungsplanung durch den Fachbereich Stadtplanung wurde in der Vergangenheit ebenfalls die Photovoltaik-Nutzung forciert. Am 28. September findet außerdem die Reinickendorfer Solarkonferenz im Infocenter der Urban-Tech-Republic statt – mit dem Ziel, speziell Reinickendorfer Unternehmen mit ihren Flächenpotenzialen für diese Ziele zu gewinnen. Die Veranstaltung wird von der Klimaleitstelle organisiert.

Danke für das Gespräch.

Interview: Christiane Flechtner

Antonia Sprotte Foto: Bezirksamt Reinickendorf

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.