Impfen ja, berichten nein!

Tegel – Rausschmeißen lässt sich keiner gern. Das ist aber einer RAZ Reporterin bei der Bauabnahme vor Eröffnung des Impfzentrums Tegel passiert. Sie hatte sich offiziell als Journalistin angemeldet und war in Begleitung von Bezirksstadtrat Uwe Brockhausen und Amtsarzt Patrick Larscheid bei der Begehung dabei. Mitten während der Veranstaltung wurde sie dann von einem Sicherheitsmitarbeiter bis zur Eingangskontrolle abgeführt – oder wie es ein Anwesender vornehm ausdrückte: „hinauskomplimentiert“. Es werde keine Pressebegleitung gewünscht. In einer nachfolgenden Mail wurde der RAZ untersagt, jegliches Fotomaterial zu verwenden.

RAZ Redaktionsleiterin Anja Jönsson zeigte sich erstaunt über den Vorgang und die Begründung. Mehrere Versuche der vorherigen Kontaktaufnahme bei der Pressestelle der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung waren erfolglos. Telefonanrufe wurden nicht entgegengenommen, Mails nicht beantwortet. Der Autor dieses Artikels wurde beauftragt, einen erneuten Versuch zu starten, eine Reportage über das Impfzentrum Tegel zu schreiben. Amtsarzt Patrick Larscheid war wiederum bereit, der RAZ Rede und Antwort im Impfzentrum zu stehen.

Es begann eine neuerliche Odyssee durch die Pressestellen, um eine offizielle Erlaubnis zum Betreten des Impfzentrums zu erhalten. Dieses Mal antwortete die Senatspressestelle: „Leider ist es nicht möglich, ein Impfzentrum zu besichtigen und Aufnahmen zu machen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis.“ Nein, da gibt es kein Verständnis. Covid-19 ist seit einem Jahr das Thema Nummer 1 in Deutschland. Fast 70.000 Menschen sind daran oder damit gestorben. Alle hoffen auf die Impfung, die so schleppend angelaufen ist. Am 10. Februar ist das Impfzentrum Tegel eröffnet worden. Was ist da so geheimnisvoll, dass ein Reporter, der sich an Sicherheitsauflagen und Datenschutzgesetze hält, keinen Blick in das Impfzentrum werfen darf?

Ein direkter Versuch beim Impfzentrum-Betreiber Deutsches Rotes Kreuz (DRK) scheiterte auch. Die erste Mail lief ins Leere, die zweite, drängendere Mail wurde beantwortet: „Es tut mir leid. Ihr gewünschter Termin im Impfzentrum kann leider nicht stattfinden.“ Erst die Ankündigung dieses Artikels bewegte den Pressesprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit zu der hinhaltenden Ankündigung, dass die „Berichterstattung gepoolt“ werde. Eine Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Projektbüros Impfzentren Berlin hatte die Kaskade von Absagen damit begründet, dass sie „genereller pandemiebedingter Natur“ sei. Ja genau, die generelle pandemiebedingte Situation begründet das dringende Interesse der Öffentlichkeit, informiert zu werden.

Mitarbeiter in Pressestellen sind meist weisungsgebunden. Viele verstehen sich aber weiterhin als Journalisten. Ihnen sollte ins Stammbuch geschrieben werden, dass der Artikel 5 unseres Grundgesetzes das Recht der Meinungsfreiheit genau definiert. Zur Äußerung von Meinung sollte die vorherige Information gehören. Kann das nicht stattfinden, ist Tor und Tür für obskure Verschwörungstheorien geöffnet. Auf Nachfrage zeigt Amtsarzt Patrick Larscheid überhaupt kein Verständnis, die Presse aus dem Impfzentrum herauszuhalten. Zunächst einmal informiert er, dass im Impfzentrum Tegel bisher nur etwa 500 Bürger täglich, fast ausschließlich medizinisches Personal, geimpft werden. Das Impfzentrum sei auf etwa „3.400 Impflinge“ täglich ausgelegt. Es werde der viel kritisierte Impfstoff von AstraZeneca verwendet. Er halte diesen Impfstoff für „sehr effektiv, sehr sicher und genauso eine gute Wahl wie die bekannten mRNA Impfstoffe.“ Der Amtsarzt legt auf die Information der Bevölkerung in dieser schwierigen Zeit großen Wert und sagt: „Ich bin irritiert, dass es zum wiederholten Male zu einer Einschränkung der Arbeit von Medienvertretern kommt.“ Und dann noch ein weiteres Wort ins Stammbuch aller ängstlichen Berichterstattungsverhinderer von Patrick Larscheid: „Eine freie Berichterstattung ist Kern der Demokratie.“

Bertram Schwarz

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.