In „Klein Moskau“ versteckt

Nach dem Widerstandskämpfer aus Borsigwalde war nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine Straße in Reinickendorf benannt, doch diese Ehrung war nur von kurzer Dauer: Aus der Beuthke-Straße wurde, noch bevor der Namenswechsel amtlich geworden war, wieder die General-Barby-Straße, als die Alliierten die Gegend dem französischen Sektor zuteilten. Trotz des entschlossenen Einsatzes von Ernst Beuthke gegen die Nazis wollten die Westmächte wegen der politischen Spannungen mit der Sowjetunion nicht so prominent an einen Kommunisten erinnern. Daher beließen sie es lieber bei dem preußischen Armeeangehörigen Adalbert von Barby, der anlässlich des Krieges gegen die Franzosen 1870 zum Generalmajor befördert wurde. Seine Familie erwarb einst den Grund, auf dem später die nach ihm benannte Straße entstand.

1933 kam es dort an der Ecke Scharnweberstraße zu heftigen Kämpfen zwischen der SA und kommunistischen Gegnern, in deren Verlauf Ernst Beuthke durch einen Bauchschuss lebensbedrohlich verletzt wurde. Einem fähigen Arzt in der Charité gelang es, dessen Leben zu retten. Als Ernst bald darauf in die Sowjetunion floh, blieb seine schwangere Frau Ella in Berlin zurück und die Ehe wurde 1941 geschieden. In seiner neuen Heimat soll er mit einer anderen Frau ein zweites Kind gehabt haben.

Auch im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte er gegen die Faschisten. Die politische Haltung war Ernst quasi in die Wiege gelegt worden, denn schon sein Vater, Jahrgang 1880, war ein engagiertes KPD-Mitglied. Während der Novemberrevolution 1918 gehörte Richard Beuthke zu denjenigen, die vor dem Rathaus Reinickendorf zum Aufstand aufriefen. Seine drei Jahre jüngere Frau Anna bekam am 3. März 1903 den ersten gemeinsamen Sohn, den die Eltern Ernst Gustav Philip nannten.

Dem erbittert geführten Krieg des Deutschen Reiches gegen den Rest Europas wollte Ernst Beuthke nicht unbeteiligt zusehen: Von London aus unternahm er 1943 den waghalsigen Versuch, wieder zurück nach Berlin zu gelangen, indem er von einem Flugzeug nahe der Hauptstadt absprang. Leichtsinnigerweise zeigte er sich auch an seinem ehemaligen Wohnort – der Laubenkolonie „Gartenfreunde“ in Borsigwalde, die im Volksmund wegen des großen Anteils an Kommunisten unter den Mitgliedern auch als „Klein-Moskau“ bezeichnet wurde. Seine Eltern versteckten ihn in ihrer Laube. Ein Nachbar, der ihn erkannte, meldete es der Gestapo.

In der Kolonie sah Ernst ein einziges Mal seine Tochter. Die Neunjährige war verwundert über den Fremden, der sie küsste und von dem ihr danach gesagt wurde, das sei ihr Vater gewesen.

Zuerst wurden Ernst und seine Frau Ella verhaftet; sie jedoch nach zehn Tagen wieder frei gelassen. Kurz darauf inhaftierte man die Eltern und Brüder von Ernst sowie einige Helfer. Nur eine hochschwangere Schwägerin wurde verschont. Himmler ordnete an, die Gruppe ins KZ Sachsenhausen zu überführen. Ohne Gerichtsverhandlung wurden alle an zwei Tagen hingerichtet. Am 10. August 1943 erschoss man die sieben Männer und am folgenden Tag brachte man die acht Frauen um.

Wenn auch keine Straße den Namen der Familie Beuthke trägt, erinnern heute immerhin Stolpersteine in der Quäkerstraße 28 in Borsigwalde, die vor zehn Jahren dort verlegt wurden, an den Mut der Widerstandsgruppe.bod

Stolperstein in der Quäkerstraße

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.