Eine alte schwarz-weiße Postkartenabbildung, die von fern eine Siedlungsstruktur zeigt.
Postkarte mit Motiv Invalidensiedlung, Foto: Archiv bod

Neue Heimat für Soldaten

Historisches: Pariser Konzept Vorbild für die Invalidensiedlung

Wer durch die Invalidensiedlung in Frohnau spaziert, denkt eher nicht an die mondäne Pariser Gegend Hôtel des Invalides mit seinen Prachtbauten, zu denen auch der Invalidendom gehört, in dem Napoleon begraben liegt. Dennoch war das Konzept dieser von Ludwig, dem XIV. ins Leben gerufenen Institution das Vorbild für sein deutsches Pendant: dort sollten kriegsversehrte und wohnungslose Soldaten eine neue Heimat finden. 

Schon der erste preußische König dachte an eine solche Einrichtung; umgesetzt wurde der Bau aber erst durch seinen Enkel, Friedrich II., in dessen Regierungszeit das Invalidenhaus im November 1748 eingeweiht werden konnte. Bewusst wurde es in die Nähe der Charité errichtet, in der heutigen  Scharnhorststraße in Mitte. Der Architekt des Invalidenhauses war Oberst Isaac Jacob von Petri, der als Baumeister auch die Schleusen des brandenburgischen Finowkanals konzipierte. 

Die für damalige Verhältnisse großzügige soziale Einrichtung war aber nicht allein ein Akt der Barmherzigkeit und diente auch nicht nur dazu, das Ansehen des Soldatenstandes zu verbessern, vielmehr war es in den Jahrhunderten zuvor häufig vorgekommen, dass sich wohnungslose Kriegsheimkehrer in Gruppen als gefährliche Unruhestifter erwiesen.

Die Hierarchie in der straff organisierten Institution war nach militärischen Rängen gegliedert, die auch unterschiedlich besoldet wurden. Im Dritten Reich unterstand das Invalidenhaus zunächst der Zuständigkeit des Reichsarbeitsministeriums, bevor es am 1. April 1937 dem Reichskriegsministerium zugeordnet wurde, das die zentrale Lage des Objekts für die Erweiterung der benachbarten Militärärztlichen Akademie nutzen wollte und den Beschluss fasste, als Ersatz eine Siedlung in Frohnau zu errichten. Von der Verlegung an den Rand der Stadt waren die Bewohner wenig begeistert. Der Umzug fand unter der Leitung von Oberst Wilhelm Staehle statt, der 1939 zum Kommandanten der Invalidensiedlung ernannt wurde. Mit seinem tragischen Tod starb diese Position aus. Staehle gehörte zum konservativen Lager der Nazi-Gegner. Durch seine Kontakte zum niederländischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer geriet er ins Visier von NS-Ermittlern und wurde im Februar 1944 erstmals verhaftet. 

Zweimal landete er im Gefängnis und wurde am 23. April 1945 erschossen. Sein Grab findet sich auf dem Invalidenfriedhof, der noch 1748 im Gründungsjahr des ersten Standorts in unmittelbarer Nachbarschaft für hochrangige Militärs eingerichtet wurde.

Kostenlose Tour am 27. April

Viele Details auch zur neueren Geschichte der Siedlung können Interessierte bei einem der beliebten Frohnauer Streifzüge erfahren – unter der fachkundigen Führung von Wolfram Sternbeck. 

Der pensionierte Polizeibeamte lebt schon seit Jahrzehnten dort und hat das kenntnisreiche Buch „Die Invalidensiedlung in Berlin-Frohnau – Ein vergessenes Erbe Preußens“ verfasst. Für den informativen, anderthalbstündigen Rundgang stellt er sich nicht zum ersten Mal zur Verfügung; wegen des großen Interesses wird die kostenlose Tour nun am 27. April, einem Samstag, erneut angeboten. Treffpunkt ist um 10.30 Uhr an der Endstation der Buslinie 125 in der Invalidensiedlung.

Eine Anmeldung unter Vorstand@buergerverein-frohnau.de ist nötig.

Boris Dammer