Eine sehr prägende Erfahrung

Als Hakan Taş am 17. Mai bei der Kundgebung gegen Homo- und Transphobie vor dem Rathaus Reinickendorf als Redner auftrat, wirkte er fit, dabei hatte der Linken-Politiker gerade eine schwere Covid-Erkrankung hinter sich. Und noch immer hat er mit den Folgen zu kämpfen. Freundlicherweise war Herr Taş bereit, sich der RAZ gegenüber zu dieser einschneidenden Erfahrung zu äußern.

Haben Sie eine Ahnung, wo Sie sich vermutlich angesteckt haben?

Leider konnte nicht ermittelt werden, wo ich mich infiziert habe. Als Abgeordneter habe ich bereits seit Beginn der Pandemie immer wieder darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es ist, die Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Trotz größter Vorsicht hat es mich leider auch getroffen. Meine Infektion macht deutlich, dass das Corona-Virus enorm ansteckend ist und weiterhin große Vorsicht geboten ist.

Wie war der Moment, als die Infektion bestätigt wurde?

Das positive Testergebnis war für mich ein Schreckensmoment. Zum Zeitpunkt des positiven Testergebnisses hielten sich meine gesundheitlichen Beschwerden in Grenzen. In diesem Moment überwiegen vielmehr organisatorische Fragen das Sorgenbarometer. Wer erledigt nun die Einkäufe? Welche Termine kann ich online abhalten und welche muss ich absagen? Wie gewährleiste ich nun die notwendigen Hilfen für meinen Patensohn? Diese Fragen sind mir in diesem Moment durch den Kopf geschossen.

Wie verlief die Erkrankung bei Ihnen?

Nach nur wenigen Tagen in Quarantäne verschlechterte sich mein Gesundheitszustand enorm. Neben Gliederschmerzen, einer allgemeinen Müdigkeit belasteten mich insbesondere die Atemschwierigkeiten. Die Nächte waren besonders hart. Hier bin ich mehrmals aufgewacht, da mir die Luft wegblieb. Mit Schnappatmung und starkem Husten wurde ich letztlich vom Notarzt ins Krankenhaus eingeliefert. Das war eine Erfahrung, die mich langfristig prägen wird.

Hat Sie die Isolation im Krankenhaus zusätzlich belastet?

Die Zeit im Krankenhaus wurde seitens des Krankenhauspersonals so angenehm wie möglich gestaltet. Die Isolation war angesichts der starken Schmerzen nicht das Hauptproblem. Vielmehr bestand die ständige Angst davor, dass sich der gesundheitliche Zustand wieder plötzlich verschlechtert. Deshalb habe ich versucht, den telefonischen Kontakt zu meinen Liebsten aufrecht zu erhalten. Ohne ihnen Sorgen zu bereiten habe ich ihnen versucht aufzuzeigen, dass sie mir viel Wert sind.

Wie lange hat die Erholung gedauert?

Die Erholung dauert weiter an, da ich unter long-covid leide. Die Spätfolgen der Infektion sind weiterhin präsent. Dies belastet mich in meiner politischen Arbeit. So passiert es mir aktuell immer wieder, dass ich während einer Rede Hustenattacken erleide oder Schwierigkeiten mit der Atmung habe. Allerdings bin angesichts der anstehenden Wahlen auch sehr motiviert und hoffe, dass ich die long-covid Symptome bald überwunden haben werde.

Was waren die ersten besonders schönen Momente nach der Erkrankung?

Nach der Erkrankung war es besonders schön, die kleinen und scheinbar alltäglichen Routinen wieder eigenständig zu erledigen. So war es schön, wieder selbst einkaufen zu können, spazieren gehen zu können und an der frischen Luft Kontakt zu meiner Familie haben zu können. Ein besonderer Moment war es auch wieder im Parlament zu sitzen, eine Ausschusssitzung zu leiten und Freunde nach vielen Wochen wieder zu sehen.

Hat die persönliche Erfahrung noch einmal Ihre Haltung zu den Verharmlosern oder Leugnern der Pandemie verändert?

Nein. Ich habe das Virus bereits zu Beginn der Pandemie ernst genommen. Berichte über schwere und tödliche Verläufe auch bei jungen und gesunden Menschen sind reichlich vorhanden. Insofern musste mich nicht erst ein schwerer Verlauf treffen, damit ich meine Haltung zur Pandemie überdenke. Ich treibe viel Sport und lebe insgesamt gesund. Deshalb war der harte Verlauf für mich natürlich eher überraschend. Dennoch zeigt dies noch einmal deutlich auf, dass kein Mensch vor diesem Virus geschützt ist. Es kann jeden treffen und ich bin enorm froh, dass wir nun mit den vorhandenen Impfstoffen eine Möglichkeit haben, das Virus effektiv zu bekämpfen.

Werden Sie ungeduldig, wenn einige mit dem Impfen noch zögern?

Ich kann jeden Menschen verstehen, der Bedenken gegen einen neuen Impfstoff hat und vorerst skeptisch ist. Als ehemaliger schwerstkranker Corona-Patient kann ich allerdings versichern, dass angesichts aktueller Studien und Erfahrungen jede mögliche minimale Wahrscheinlichkeit auf eine Komplikation nach der Impfung deutlich weniger gefährlich ist, als eine Infektion mit dem Virus selbst. Insofern möchte ich diese Gelegenheit auch nutzen, alle Menschen inständig um eine Impfung zu bitten. Sie schützen damit ihr Umfeld und ersparen sich enorme Leiden.

Danke für das Gespräch.

Interview Boris Dammer

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.