Das Gesundheitsamt im Auge des Corona-Sturms

Reinickendorf – Im Auge eines Wirbelsturms soll es ganz ruhig sein. Von Hektik und Katastrophenstimmung ist an diesem Nachmittag im Gesundheitsamt von Reinickendorf nichts zu spüren. Fast alle Büros sind mit Mitarbeitern besetzt. Draußen wütet die Pandemie und fängt an, das öffentliche Leben wieder lahmzulegen. Amtsarzt Patrick Larscheid grüßt beim Rundgang durch offene Türen einzelne Mitarbeiter und wünscht ihnen einen schönen Feierabend. Am Eingang des Gesundheitsamtes hängt ein handgeschriebenes Blatt Papier: „Hier KEINE Corona-Testung“. Daneben sitzt ein Wachmann, der aufpasst, wer in dieses Zentrum der Pandemiebekämpfung möchte.

Larscheid erzählt „von ein paar Irren“, die hier versucht haben, Unruhe zu stiften. Einer soll sich sogar ausgezogen haben, um Aufmerksamkeit zu erregen. Seit nahezu zwei Jahren beherrscht das Thema „Corona“ die Gespräche zu Hause, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz und natürlich auch im Gesundheitsamt Reinickendorf in der Teichstraße. Es ist eines von etwa 400 Gesundheitsämtern in Deutschland. Aber das in Reinickendorf hat einen Amtsarzt, der fast in allen Medien der Republik präsent ist: TV-Talkshows, Radiosendungen, Zeitungsinterviews, Podcasts, sogar die Washington Post hat ihn zitiert.

Doc Larscheid kennt seine Wirkung und lässt ganz nebenbei fallen, was er kürzlich dem Bundespräsidenten auf einem Empfang gesagt habe. Die Pandemie erzeuge einen „dauermedialen Druck“, den er aber zu nutzen weiß. Er liebt deutliche Worte: „Die Bürger bezahlen mich, also informiere ich sie.“ Zu jedem Stichwort hat er eine klare Meinung. Schulschließungen? „Never ever again“ – niemals wieder, fordert er. Es müssten „Fehler eingestanden werden“. Die Politik habe sich an den Kindern „versündigt“.

Es bringt Spaß, ihm zuzuhören: „Wer in der Pandemie Verantwortung trägt, hat danach blaue Flecken“. Er weiß, wovon er redet.

Der Dreh eines TV-Teams von der ZDF-Satiresendung „Heute-Show“ in seiner Behörde hat ihm ein Disziplinarverfahren eingebracht. Danach lag er überkreuz mit dem früheren Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU), auch wenn dieser das Verfahren gegen ihn schlussendlich abblasen ließ. Gleich am Anfang der Pandemie forderte er von den Politikern in der RAZ, dass sie eine „große und schmerzhafte Debatte anzustoßen und zu führen“ haben. Heute ist er enttäuscht von der Politik. Sie hätte ihr „Moderatorenrolle“ nicht ausreichend bedient. „Sogenannte Querdenker“ konnten die öffentliche Diskussion stark beeinflussen.

Larscheid sieht zwei Phasen bei der Pandemie. Zunächst habe das Gefühl einer „diffusen Bedrohung“ vorgeherrscht, in der „bis zur Klärung Einschränkungen angenommen wurden“. Ab Sommer 2020 begann dann eine „Aufsplitterung“ der öffentlichen Meinung, die den „Leugnern“ eine große Bühne geboten habe. Ja, er habe sich von den in der Verantwortung stehenden Politikern „so viel mehr gewünscht“. Impfpflicht ist wieder so ein Thema. Er hält nichts von einem Impfzwang. Aber „in bestimmten Bereichen gebe es die ethische Notwendigkeit, geimpft zu sein“. Dazu zählt er Lehrer in Schulen, Pfleger in Heimen und das „gesamte medizinische Personal“. Denen müsse gesagt werden: „Wenn du nicht geimpft bist, darfst du hier nicht arbeiten.“

Das Gesundheitsamt hatte vor der Pandemie 110 Mitarbeiter. Jetzt sind es 175. Erst kürzlich kamen 20 Neue hinzu. Auch in Pandemiezeiten müsste den anderen Aufgaben des Gesundheitsamtes nachgegangen werden. Er betont die Beratungsstelle für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und den allgemeinen Infektionsschutz. Letztlich sei diese Pandemie fachlich nur eine „Dimensionsverschiebung“, größer als die vorherigen Infektionsgefahren. Das sagt Larscheid ganz gelassen.Bertram Schwarz

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.