Der Kalif von Berlin

Hermsdorf – In einem Hermsdorfer Café ist die RAZ mit dem Autor und Jurist im Ruhestand Dietmar Peitsch verabredet. Er ist schon da und hat sich einen Platz mit Überblick ausgesucht. In den 1990-er Jahren war Dietmar Peitsch, der seit 1975 in Hermsdorf wohnt, Stabsleiter beim Berliner Verfassungsschutz. Sein im Sommer 2019 erschienener Thriller „Der Kalif von Berlin“ mit der Hauptfigur Heiko Peikert spielt ebenfalls im Milieu des Verfassungsschutzes.

„Ich wollte mit meinem Buch zeigen, wie schwierig die Arbeit dieser Behörde ist und dass sie auch das Privatleben beeinflusst“, sagt Dietmar Peitsch, als er nach dem Grund für das Thema seines Buches gefragt wird. Sehr genau beschreibt er im „Kalif“ zwei Monate im Sommer 2016: Der Verfassungsschutz erfährt durch einen V-Mann von einem für den 16. Juli geplanten Anschlag. Es könnte sich sogar um einen Anschlag handeln, den Islamisten und Rechts- und Linksextremisten zusammen planen. Die Zeit läuft Heiko Peikert davon, der auch unter seinem strengen Chef van Daalen leidet. Zusammen werden sie regelmäßig zum Innenminister zitiert, der kurz vor den Wahlen unter Druck steht. Der Verdacht erhärtet sich, dass es einen „Durchstecher“ gibt, also eine Person innerhalb des Verfassungsschutzes, die für die andere Seite arbeitet.

Heiko Peikert flüchtet regelmäßig zu Starbucks und trinkt einen „Iced Americano“, um den Kopf frei zu bekommen. „Nein, ich persönlich gehe da nie hin und weiß nicht mal, wie dieses Getränk schmeckt!“, sagt der Autor und lacht.

Die Leserschaft erfährt, wie kompliziert das Verwanzen, die Überwachung der Telekommunikation und das Observieren verdächtiger Personen sind – und dass es dafür eine richterliche Anordnung braucht. Namen, Aussehen und Charakterzüge seiner zahlreichen Protagonisten hat der Autor sorgfältig ausgesucht. „So prägen sie sich bei den Leserinnen und Lesern leichter ein“, sagt Dietmar Peitsch.

Das kann die RAZ bestätigen: Mit dem V-Mann-Führer Dickhoff, der seinen Bauch vor sich herträgt und in der Hektik stark schwitzt, hat sie ein gewisses Mitgefühl entwickelt. Was ihm denn am schwersten gefallen sei beim Schreiben? „Das Strukturieren, die logische Reihenfolge, das sogenannte Storyboard, hat mich sehr herausgefordert und viel Zeit beansprucht“. Insgesamt hat der Schreibprozess fast vier Jahre gedauert, vor der Pensionierung noch parallel zu seiner letzten Stelle in der Hochschulabteilung der Berliner Verwaltung. Ähnlich wie die Skandale, die im Thriller ans Licht kommen, wurde auch im Jahr 2000 der Berliner Verfassungsschutz wegen Skandalen als eigenständige Behörde aufgelöst und ist heute dem Innenministerium angegliedert.

Wie nah Fiktion und Realität sich sein können: Am Tag, an dem das Treffen mit dem Autor stattfindet, erschießt ein Attentäter im hessischen Hanau neun Personen.

mfk

Andrea Becker