Die Bombenspürnasen vom Rollfeld

Tegel – Es sieht ein bisschen nach Mondlandschaft aus. Aber es ist der östliche Zipfel des ehemaligen Flughafens Tegel, wo in wenigen Jahren Holzhäuser für rund 10.000 Menschen gebaut werden sollen. Aber noch steckt hochexplosive Geschichte im Erdboden.

Granaten aus der Kaiserzeit, kleinere Stabbrandbomben und 15 Kilogramm schwere Brandbomben aus dem 2. Weltkrieg. Letztere etwa so groß wie ein Feuerlöscher. Der Leiter der Kampfmittelräumung und erprobte Feuerwerker Maik Schwarz warnt bei der Suche nach explosiven Überresten: „Es stimmt nicht, dass groß immer gefährlich ist und klein nicht.“

Auch die kleinen Munitions- und Granatreste müssen sorgfältig ausgesondert und vernichtet werden. Seit Mitte Mai 2021, direkt nachdem der Flughafen endgültig „entwidmet“ worden war, begann die Bombensuche. Pressesprecherin Constanze Döll informiert, das seitdem „fast 6.000 Stück abgabepflichtige Munition mit einem Gewicht von zirka 3.600 Kilogramm geborgen“ worden sind. Alles was gefährlich ist, wird von den Feuerwerkern und der Polizei gesichtet. Was nicht mehr transportiert werden kann, wird im Sprengbunker auf dem Gelände in die Luft gejagt. Seit Beginn der Suche gab es erst vier Sprengungen in Tegel, meist waren es „Einzelobjekte“.

Der weitaus größte Teil des Fundes wird „in Spezialfahrzeugen auf ihnen zugewiesenen Straßen“, genauer wollen es die Fachleute nicht erklären, in den Grunewald gefahren, wo zentral gelagert und gesprengt wird. Das ist dann das Ende einer aufwändigen Suche. Weite Teile des etwa 500 Hektar großen, ehemaligen Flughafens gelten als bomben- und munitionsverseucht und müssen in den nächsten Jahren abgesucht werden. Auf dem etwa 10 Hektar umfassenden Gelände des zukünftigen Schumacher Quartiers drängt die Zeit. 2027 sollen die ersten Bewohner hier in die innovativen Holzhäuser einziehen. Vorher müssen die Suchtrupps mit Sonden, Spaten, Baggern das ganze Gelände durchkämmt haben.

Wenn die handgeführte Sonde auf Störungen im Magnetfeld anspringt, wird mit Schaufel und Spaten vorsichtig nachgegraben, bis das Stück Metall gefunden worden ist. An Fundstellen wird die Erde nach der Bergung von Munition oder Bomben bis zu zwei Meter ausgehoben, um sicher zu gehen, dass die zukünftigen Bewohner ungefährdet hier leben können.

Der Aushub wird gesiebt und in den Kategorien Erdreich, kleine Steine und große Steine abgelegt. 75 bis 80 Prozent dieses Materials müssen möglicherweise wegen hoher Schadstoffbelastung, vor allem Sulfate, entsorgt werden. Ob und wieviel des Aushubs als Wiederauffüllung der aufgerissenen Landschaft verwendet werden könne, werde derzeit noch geprüft, sagt Constanze Döll. Der geschichtsträchtige Boden enthält aber nicht nur Bomben und Munition. Unübersehbar viele Scherben von Geschirr sind zu sehen. Schwarz klärt auf, dass damals beim Vorbereiten dieses Geländes zum Bau eines Flughafens viel Trümmerschutt aus dem Wedding zum „Egalisieren“ verwendet wurde. Es war die Zeit der Berlin-Blockade. Alles musste damals ganz schnell gehen. Viele Reste von zerstörten Haushaltsgegenständen kommen jetzt wieder an die Oberfläche. Doch dem 20-köpfigen Team von Maik Schwarz bleibt keine Zeit für nostalgische Gedanken. Es ist ein Segen, dass keine der im Erdreich versteckten Bomben während des jahrzehntelangen Flugbetriebs
hochgegangen ist. Jetzt müssen sie raus, damit hier Platz für eine friedliche Zukunft ist.

bs

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.