Hinter Gittern: Häftlinge spielen Fidelio

Tegel – „Das sind schon gestandene Gestalten hier“, bemerkt Mehrfach-Besucher Günther. Denn sinnigerweise im Tegeler Knast lässt diese Produktion Beethovens Kerkeroper Fidelio aufführen, die laut Vorlage ebenfalls hinter Gefängnismauern spielt. Gut, dass alle 17 Rollen eh von Männern besetzt werden. Kerkermeister, Gefängnisdirektor – sowieso die Gattin, die einsickert, um ihren Mann zu befreien, muss sich laut Libretto ebenfalls als Mann verkleiden, was der Regie genügend Besetzungs- und Genderspiel-Raum lässt.

Anlässlich des Beethoven-Jahres präsentiert das Gefängnis-Theater „aufBruch“ das starke Stück in Zusammenarbeit mit dem Education-Programm der Berliner Philharmoniker des Megakomponisten klassische Vorlage hier an authentischem Ort, nämlich in einem Abbruchkandidaten-Teil der JVA Tegel. Kaum zu glauben: Bis 2013 saßen in diesem Kaiserzeit-Trakt mit seinen Winzzellen tatsächlich noch leibhaftige Gefangene ein.

Tegels Häftlings-Ensemble hat von darstellerischer Spielfreude beziehungsweise -wut getragen in rund zwölf Probenwochen eine eigene Singspiel-Version des Fidelio erschaffen ─ aus ausgewählten Opern-Arien sowie weiteren sich thematisch anbietenden Versatzstücken. Düstere Kerkerhaft (Julian Assange lässt grüßen) aus politischer Willkür kontrastiert mit den Freiheits-Idealen des komponierenden Rhein-Revoluzzers, der die Geschichte um Gerechtigkeit, Freiheit und Treue vor rund 250 Jahren leidenschaftlich in Notensprache umgesetzt hat. So lässt Beethovens kraftvolle Partitur das Werk Fidelio seit jeher unter den großen Opern dieser Welt erstrahlen.

Heutzutage mit von der Partie sind Simon Rössler als musikalische Gesamtleitung, Peter Atanassow für Regie, Judith Kamphues als Leitung der Gesangs-Workshops sowie Stipendiaten der Karajan-Akademie plus Studierende der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.

Freiwillige Kultur-Haft

„O welche Lust, den Atem frei zu heben“, singt nicht nur Beethovens Gefangenenchor, sondern womöglich auch der Zuschauer nach rund zweieinhalb Stunden freiwilliger Kultur-Haft. Wer sich dieses nicht unmorbide, aber durchaus hörens- und sehenswerte „Vergnügen“ antun möchte, sollte Zusatzzeit für Ein- und gegebenenfalls Auslass-Kontrollen einplanen und vor allem seinen Personalausweis nicht vergessen. Vorstellungen: 4., 5., 6., 11., 12. und 13. März, jeweils um 17.30 Uhr.

Tickets gibt es nur im Vorverkauf für Zuschauer ab 16 Jahren. Sie kosten 15 Euro, ermäßigt 10 Euro online im Ticket-Shop unter shop.gefaengnistheater.de; Tel. 240 65 777 montags bis samstags von 11 bis 18 Uhr.

Harald Dudel

Andrea Becker