Lee darf überall mit hinein!

Tegel/Bezirk – Regina Voll­brecht ist eine blinde Frau, die sich seit vielen Jahren mit einem Blindenführhund durch ihren Alltag bewegt. Seit über zwei Jahren ist die weiße Königspudeldame Lee ihre ständige Begleiterin. Regina Vollbrecht ist seit April 2016 Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Bezirks Reinickendorf.

Regina Vollbrecht hat sich an die RAZ gewendet und ein Problem erläutert, mit dem sie konfrontiert ist: „Immer wieder werde ich in Lebensmittelgeschäften oder beim Bäcker darauf angesprochen, dass ich das Geschäft mit meinem Hund nicht betreten dürfe“, erzählt sie. Die Gesetzeslage ist so, dass Lebensmittelunternehmer generell gemäß einer EU-Verordnung vermeiden müssen, dass Haustiere Zugang zu Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet oder gelagert werden. Es gibt jedoch einen Sonderfall: Das Mitführen von Blindenführhunden ist aus Sicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ausdrücklich gestattet, denn das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen ist hier ausschlaggebend.

Sich immer wieder für sein Recht einsetzen zu müssen, kostet Kraft. „Diese Kraft habe ich nicht jeden Tag. Mein Arbeitsalltag ist anstrengend. So gehe ich meistens zu dem Bäcker, bei dem ich schon bekannt bin“, sagt Regina Vollbrecht, „den ich mir sozusagen ‚erarbeitet‘ habe“. Die RAZ macht nun die Probe aufs Exempel und begleitet die Behindertenbeauftragte auf eine Einkaufstour durch Tegel. Regina Vollbrecht führt Lee am gut sichtbaren Führgeschirr zu einem Süßwarengeschäft und öffnet vorsichtig die Glas­türe. „Der Hund darf nicht reinkommen“, wird sie in freundlichem, aber bestimmtem Ton von der Verkäuferin empfangen. Frau Vollbrecht bleibt an der Türe stehen und erklärt, dass ihr das mit einem Blindenführhund gestattet ist. Es ist so, wie es die Behindertenbeauftragte schon oft erlebt hat: Sie weist auf die Ausnahme und ihr Recht hin.

Als sie den entsprechenden Gesetzestext aus ihrer Handtasche holt, winkt die Verkäuferin ab. Es ist ihr sichtlich peinlich, dass sie davon noch nie gehört hat. Daraufhin berät sie freundlich, und Regina Vollbrecht kauft zwei Tüten Truffes. „Ich bin eine treue Kundin“, sagt sie und lacht kurz auf. Im nächsten Geschäft, das Gewürze und Tees verkauft, hat sie mehr Glück. Die Bedienung erkennt, dass es sich um einen Blindenführhund handelt. Nummer drei ist ein kleines, feines Geschäft mit allerlei süßen und salzigen Leckereien. Wir werden freundlich bedient und es gibt keine Rüge für Lee.

Als Abschluss an diesem trüben Vormittag geht es zu einem Bäcker mit angegliedertem Café. Wir setzen uns mit einer heißen Schokolade an ein Tischchen. Alles klar hier? Als wir nach einer halben Stunde gehen, sieht die Bäckereiangestellte Lee und ruft uns hinterher: „Der Hund ist hier nicht erlaubt!“ Wieder versucht Regina Vollbrecht – nun schon mit etwas kraftloser Stimme – zu erklären. Die Verkäuferin hat viel zu tun. Wir bekommen keine Antwort. „Der Nächste bitte!“, hören wir noch.

mfk

Andrea Becker