Eine Frau belädt einen Fahrradanhänger.
Johanna Klinkenbusch beim Beladen des KiezMobils Foto: bs

Suppe und Kuchen

Serie „Stadtteilzentren in Reinickendorf “ / Teil 1: „Haus am See“

Reinickendorf – Draußen packt Johanna Klinkenbusch ihr KiezMobil. Gleich geht es mit ihrem Kollegen Thorsten Scheib und dem Lastenfahrrad auf Tour im Bereich der Residenzstraße. Sie werden Anwohnerinnen und Anwohner rund um das Stadtteilzentrum „Haus am See“ ansprechen, zu Kaffee oder Tee einladen und sie fragen, ob sie etwas auf die gemeinsame Nachbarschafts-Tischdecke sticken möchten.

Sie wollen dabei helfen, dass Menschen zusammenkommen, die sonst nicht zueinander finden würden. Klinkenbusch spricht von „mangelnder Teilhabe, sozialer Armut und Einsamkeit“. Dagegen zu wirken, ist das Hauptziel des Stadteilzentrums mit dem schönen Blick auf den Schäfersee.

Drinnen werden etwa zehn Personen mit Suppe und Kuchen beköstigt. Der Raum ist gut geheizt. Die Aktion „Suppe und Kaffee – für alle, die Wärme, Austausch und Gemeinschaft suchen“ geht bis zum 19. Dezember. Alle sind eingeladen an jedem Dienstag und Samstag von 14 Uhr bis 17 Uhr zu kommen. Heute sind ein Mann und zwei Kinder unter den Gästen. Die anderen sind Frauen. Christel Seemann leitet das mit ihr sechsköpfige Team des Stadtteilzentrums. Bis auf Thorsten Scheib auch alles Damen. Seemann sieht bei ihrer Arbeit eine gewisse „Fokussierung auf Frauen“. Nähkurse werden angeboten, ein „Kreativcafé für Frauen“ und eine „Yogagruppe für Frauen“. Das Stadtteilzentrum wolle sich in Zukunft auch mehr um Männer bemühen, die der Hilfe bedürfen und nach Unterhaltung suchen. Ein Schachkurs sei in Vorbereitung.

Seemann ist seit den Anfängen des Stadteilzentrums dabei. Bis 2008 war das charmante Haus am See eine Kindertagesstätte. Dann begann dort die Arbeit für Erwachsene. Der Bezirk stellt die Räumlichkeiten mit dem Haus am See und dem Nebengebäude mit einem großen Saal. Dort findet gerade ein Malkurs statt. Die Gehälter und die Sachkosten werden zukünftig vom Senat beglichen. Geld, was darüber hinaus benötigt werde, müssen Seemann und ihre Kollegin Figen Kirilmaz selbst eintreiben. So bekommen sie auch Mittel aus dem Quartiersmanagement und aus anderen Quellen zur Verbesserung der sozialen Situation im Kiez.

Die Leiterin Christel Seemann beklagt eine „zunehmende Armut“. Die Inflation habe die Situation verschlimmert. Sie und Kirilmaz sind studierte Sozialpädagoginnen. Die geborene Berlinerin Kirilmaz spricht neben Deutsch Türkisch, was eine große Hilfe sei. Seemann beherrscht neben Deutsch Arabisch, Italienisch und Englisch. Das Zusammenbringen von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund ist eines der Hauptanliegen im Haus am See. Es werde „niederschwellige Kulturarbeit“ geleistet, bei der es in erster Linie darum gehe, „Menschen zusammenzubringen“. Diejenigen, die sich bei einem der vielen Kurse kennenlernen, würden sich im Alltag im Supermarkt wieder treffen und in Kontakt treten, um die Nachbarschaft zu stärken.

Figen Kirilmaz, Klara Domröse, Christel Seemann, Thorsten Seib und Johanna Klinkenbusch (v.l.)

Das Beratungsangebot ist ein starker Pfeiler der Arbeit des Stadtteilzentrums. Rechtsanwälte als Honorarkräfte bieten zum Miet- und Sozialrecht Hilfe an. Auch beim Arbeits – und Asylrecht sowie zum Aufenthalts- und Familienrecht gebe es viele Fragen. Zudem würde sich das Team von Christel Seemann um ganz alltägliche Defizite kümmern. Das Erlernen des Fahrradfahrens sei „ein großes Thema“. Die Hauptsprache sei Deutsch, aber auch mit Arabisch, Türkisch, Kurdisch, Farsi und Ukrainisch hätten sie immer wieder zu tun. Zu bedenken sei, dass viele sich um die deutsche Sprache bemühen, aber im heimischen Familienkreis eine andere Sprache nutzen und wenig Anwendung für Deutsch haben.
Klara Domröse und ihre Kollegin Rana Barjoud arbeiten für das Teilprojekt „Lebendige Nachbarschaft“. Domröse kennt die Kritik von „Bio-Deutschen“, dass für sie „gar nichts gemacht werde“, sondern „immer nur für Migrantinnen“. Das stimme aber nicht. Alle Angebote seien offen für jeden, der einfach einmal hereinschauen möchte. Die Stimmung im Stadtteilzentrum beurteilt sie als „positiv“. Sie will die Chance nutzen, „Vorurteile abzubauen“. Dömröse und Barjoud organisieren jeden letzten Mittwoch im Monat das „Kiezkino“.

Sie legen dabei Wert auf eine gute Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilmen. Der Eintritt sei, wie bei allen anderen Veranstaltungen auch, immer frei. bs

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.