Demonstrierende Menschen vor einem Mehrfamilienhaus
Mehrere hundert Anwohner machten ihrem Frust Luft. Foto: fle

Wut und Verzweiflung

Gewobag fordert Betriebskosten-Nachzahlungen bis 7.000 Euro

Tegel – „Das kann nicht sein! Das kann nicht sein!“ Lautstark machten sich am 5. Januar mehrere hundert Mieter Mieter der Gewobag-Siedlung vor den Hochhäusern an der Namslaustraße Luft. Sie alle hielten ihre Nebenkostenabrechnungen hoch, die sich weiß vor dem dunklen Hintergrund abzeichneten.

Die Briefe, die Ende des alten und Anfang des neuen Jahres in die Briefkästen flatterten, brachten keine netten Neujahrsgrüße, sondern saftige Betriebskosten-Nachforderungen in die Wohnungen. Ein Schock für viele Anwohner, denn sie hatten bereits erhöhte Vorauszahlungen getätigt, damit sie eben von einer hohen Nachzahlung verschont blieben. Und nicht nur das: Auch die Miete wurde erhöht.

Am 5. Januar war auch ein Fernsehsender mit Kamerateam und Redakteuren vor Ort und ließ sogar eine Drohne steigen, um die Protestierenden aus der Vogelperspektive zu filmen. 

Eine der betroffenen Anwohnerinnen ist Karla Wollmann: Sie wohnt mit ihrem Mann seit 26 Jahren in der Siedlung und soll nun 1.775 Euro nachzahlen. „Viele ältere Bewohner – einige sind schon über 90 Jahre alt – sind aus Angst heute gar nicht gekommen“, sagt sie. Sonst wären wir noch viel mehr hier auf der Grünfläche. „Die meisten der Abrechnungen müssen schlichtweg falsch sein“, ist sie sich sicher. „Und die Miete zu erhöhen, ist wirklich dreist. Schließlich haben wir noch immer die alten Fenster und keinerlei Dämmung. Modernisierung und Instandhaltung werden nicht durchgeführt, aber wir sollen mehr zahlen. Wir sind verzweifelt und wütend“, sagt sie.

Tatjana Hilbig trifft es noch schlimmer: „Ich soll rund 3.200 Euro nachzahlen, dabei bin ich schon monatlich 100 Euro mehr in Vorkasse gegangen“, sagt die junge Frau, die seit 13 Jahren in ihrer Wohnung wohnt. Ihre monatlichen Vorauszahlungen belaufen sich nun auf 543 Euro. „Das sind mehr als 6.500 Euro für das ganze Jahr. Das kann doch nicht sein? Wie kommen diese Summen zustande? Wer kann das bezahlen? Dass da Menschen Suiozidgedanken entwickeln würden, ist für sie nicht verwunderlich“, sagt sie. 

Am gestrigen Mittwoch wurde in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung das Thema „Nachzahlung Betriebskostenabrechnungen für Gewobag-Mieter auf die Tagesordnung gesetzt. 

Die RAZ bleibt dran und wird in der nächsten Ausgabe weiter berichten.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.