Tegel – Die Schulfarm Scharfenberg hat von Beginn an das Wunder vollbracht, dass die Schüler – damals nur Jungs – immer gerne zum Unterricht gingen. Verständlich, wenn ein echter Polarforscher mit der Klasse das Eiland vermisst und auch Segeln oder Reiten auf dem Lehrplan stehen.
Zu verdanken ist das erfolgreiche Experiment vor allem dem engagierten Reformpädagogen Wilhelm Blume, der vor hundert Jahren die Privatschule auf der Insel im Tegeler See gründete, die kurz zuvor noch von den städtischen Wasserwerken genutzt worden war.
Hier konnte er sein progressives Erziehungskonzept umsetzen, das vor allem das Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ in den Mittelpunkt stellte – das Handwerkliche war dem Geistigen absolut ebenbürtig. Wie umfassend die Ausbildung war, zeigt sich etwa an der Gründung einer Schulfeuerwehr und dem mittäglichen Vortrag eines „Zeitungsberichterstatters“, der einen politischen Rundblick lieferte. Großen Wert legte Blume auch auf die gleichberechtigte Mitbestimmung der Jugendlichen gegenüber den Lehrern. Die Schülerselbstverwaltung wurde in der Nazi-Zeit ausgesetzt, aber nach dem Krieg wieder aufgenommen. Unter der Leitung von Rudi Müller, selbst ein ehemaliger Schüler auf Scharfenberg, machte das Internat vor allem mit Theaterspiel auf sich aufmerksam. Als Berlin dem Beispiel folgte und Darstellendes Spiel als Unterrichtsfach an der Oberstufe einführte, übernahm die Stadt sogar Müllers Lehrplan.
Jahrzehntelang war die Schulfarm ein reines Internat. Vor rund dreißig Jahren öffnete sich Scharfenberg aber auch für die Schüler vom Festland. Heute sind etwa 90 der über 500 Jugendlichen „ganzjährige Insulaner“.
Zu bekannten Persönlichkeiten, die ihre Schulzeit auf Scharfenberg verbrachten, gehören die ehemalige SPD-Justizsenatorin Jutta Limbach, die 1994 als erste und bisher einzige Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts wurde und der Schriftsteller Karl Mundstock, der seine Erlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg in mehreren Romanen verarbeitete. Auch Daniel Fehlow, der seit über zwanzig Jahren in der RTL-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ zu sehen ist, paukte dort und spielte Schlagzeug in einer Band.
Das große Jubiläum zum Hundertsten soll das ganze Jahr über gebührend gefeiert werden. Die Auftaktveranstaltung findet am 12. Februar statt – mit musikalischem Festakt und Eröffnung einer Ausstellung über die Geschichte der Schulfarm. Zum Abschluss erhellt das Projekt „Scharfenberg leuchtet“ die Insel mit einer Lichtinstallation, die Schüler gemeinsam mit der Firma Boehlke („Festival of Lights“) geschaffen haben.
Am 29. Mai sind die Ehemaligen eingeladen und bekommen das Theaterstück „Der falsche Orpheus“ geboten. Der Hauptfestakt präsentiert dann am 3. September Poetry Slam, während Chor und Big Band für das Musikprogramm sorgen. Außerdem wird ein Scharfenberg-Kochbuch vorgestellt und eine Fotoausstellung in der Scheune eröffnet. Mit einem Weihnachtsmarkt am 26. November klingt das Jubiläumsjahr aus. bod
Mehr über die Schulfarm Insel Scharfenberg im neuen RAZ Magazin ab 17. Februar.