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Neuer Anlauf für geordnete Wasserversorgung

Tegel – Am Anfang der Veranstaltung bekam der Chef der Berliner Wasserbetriebe (BWB), Frank Bruckmann, sein Mikrofon nicht angeschaltet. Der Einladende Jörg Stroedter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Abgeordnetenhaus Berlin, klärte das mit einem Knopfdruck und sagte: „Ich habe auch keine Ahnung, nur Glück gehabt.“ Ganz so viel Glück empfanden viele der zur Informationsveranstaltung gekommenen Bewohner der Cité Guynemer nicht über das ihnen unterbreitete Angebot, die unendliche Geschichte der mangelhaften Wasserver- und entsorgung in ihrem Wohngebiet über direkte Verträge mit den Berliner Wasserbetrieben zu beenden.

Was ist in den fast drei Jahrzehnten geschehen, seitdem die französischen Alliierten das Gebiet 1994 an die Bundesrepublik Deutschland zurückgaben? Das Gelände der Cité Guynemer mit den Häusern nördlich des ehemaligen Flughafens Tegel wurde parzelliert und an Einzelinteressenten und große Immobilienunternehmen verkauft. Damit wurden auch viele Straßen und die in die Jahre gekommene Wasserversorgung an die neuen Eigentümer übergeben. Die Straßen wurden nicht von der öffentlichen Hand übernommen. Bisher war eine solche „Widmung“ die Voraussetzung, dass die stadteigenen Berliner Wasserbetriebe tätig werden dürfen.

Über die Jahre verrotteten die Rohre. Das Hebewerk zum Abpumpen des Abwassers versagte immer wieder wegen Altersschwäche den Dienst. Den Anwohnern stand das „Fäkalwasser“, so ein Anwohner, öfter im Keller. Seit einiger Zeit bemühen sich Stroedter und Ulf Wilhelm (SPD), Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf, darum, dass der Bezirk die Straßen übernimmt und damit die Wasserbetriebe das ganze System erneuern können. Bisher macht der Bezirk aber keine Anstalten, das schnell zu vollziehen. Ganz Wahlkämpfer, wirft Stroedter dem scheidenden CDU-Bezirksbürgermeister Frank Balzer vor: „Er war vorher nicht interessiert und jetzt schon gar nicht mehr.“

Für Frank Bruckmann von den BWB ist klar: „Die Menschen können nicht ohne Wasser sein“ und stellt eine geordnete Ver- und Entsorgung ausnahmsweise ohne vorherige Widmung der Straßen in Aussicht. Dafür muss jeder einzelne Eigentümer einen Vertrag für einen BWB-Wasserzähler abschließen. Das Fachwort heiß „Einzelverzählerung“. Darüber hinaus sollen sich die betroffenen Parteien zu einer „Notgemeinschaft“ zusammenfinden, um mit dieser den Unterhalt und Betrieb der Leitungen und des Hebewerks sicherzustellen. Die Dienstleistungen dafür würden auch die BWB übernehmen. In diese Gemeinschaft müsste jeder einzahlen. Daran regt sich Kritik.

Etliche Hauseigentümer sehen die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in der Pflicht, die Kosten für die Aufrechterhaltung der Wasser-Infrastruktur zu zahlen. Ursprünglich hatten sie von der BImA ihre Grundstücke gekauft. Ein Hausbesitzer ruft erregt, er habe schon zwei Prozesse gegen die BImA gewonnen und werde auch einen dritten gewinnen.

Alle sind sich jedoch einig, dass die BWB ein hilfreiches Angebot entwickelt hat und loben das Engagement von Stroedter. Ob das Problem auf diese Weise aus der Welt geschaffen werden kann, ist noch offen. Ein anderer Bewohner beklagt sich in diesem verworrenen Streit bitter: „Wenn ich noch nicht einmal der Bundesrepublik Deutschland vertrauen kann, wem kann ich dann noch vertrauen?“ Daraufhin Bruckmann: „Den Berliner Wasserbetrieben“. bs

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.