Seit Ende September herrscht große Unsicherheit, ob eines der wichtigsten Projekte bei der Nachnutzung des Flughafens Tegel realisiert werden kann. Die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) ließ vor einem Monat offen, ob der Teil-Umzug der Berliner Hochschule für Technik (BHT) aus Kostengründen stattfinden werde.
Geplant wird der Umzug von etwa 2.000 Studenten der BHT vom Wedding in das ehemalige Zentralgebäude des Flughafens seit mehr als zehn Jahren. Ein Flächenbedarf von 20.000 Quadratmetern war angemeldet. 2028 sollte es mit dem Umzug losgehen. Jetzt ist alles in Frage gestellt, weil das Geld knapp ist.
Politische Reaktionen und Forderungen
Professor Hans Gerber, zuständig bei der BHT für den Umzug, zeigt sich auf Nachfrage „erschüttert“. Im Haushalt der Stadt Berlin fehlen für das nächste Budget etwa drei Milliarden Euro. Keiner weiß im Augenblick, wie und wo eingespart werden soll. Nach den verunsichernden Auskünften der Wissenschaftssenatorin überschlagen sich die Wortmeldungen zum Thema Tegel. In einer Stellungnahme bemüht sich die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege um Schadensbegrenzung. Sie habe „in den vergangenen Jahren die Berliner Hochschule für Technik bei ihren Planungen zu einem neuen Campus am Standort des früheren Flughafens Tegel umfassend unterstützt.“ An dieser Unterstützung wolle sie festhalten. Eine feste Zusage hört sich anders an …
Auch Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) hat sich zu Wort gemeldet: „Wer den Umzug der Berliner Hochschule für Technik in Frage stellt, gefährdet die Entwicklung von Europas größtem Investitionsgebiet. Denn ohne ihren Anker wird die Urban Tech Republic nicht funktionieren.“
Denkmalschutz als finanzielles Hindernis
Die Urban Tech Republic ist eines der drei großen Projekte, die auf dem früheren Flughafengelände neben dem Landschaftspark und dem Neubau von 5.000 Wohnungen realisiert werden soll. Es geht um die Ansiedlung von innovativen Unternehmen und die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Dafür sollte die im Wedding auf beengten Platzverhältnissen arbeitende BHT in Teilen nach Tegel ziehen. Die Umbauarbeiten am Terminal A sind längst im Gange. Demirbüken-Wegner zeigt zwar „Verständnis für haushälterische Zwänge“, mahnt aber, dass Berlin an der komplett falschen Stelle spare, „wenn es sich seiner besten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Chancen beraubt“.
Einen Plan B gibt es nicht
Kämpferisch schließt Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin ab, dass es „nicht von verantwortungsvollem Handeln und politischer Weitsicht“ zeuge, „der Urban Tech Republic das Herz herauszureißen, ehe es überhaupt zu schlagen begonnen hat“. So ganz stimmt das nicht. Schon etliche Unternehmen haben sich bereits in der alten Frachthalle angesiedelt und arbeiten dort.
So richtig auf die Pauke gehauen hat dann der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Er gab dem Denkmalschutz die Schuld, dass der Umzug der BHT nach Tegel so teuer geworden sei und gab ihn mit 500 Millionen Euro bei einer Veranstaltung der Messe Berlin, Wall GmbH und Berliner Morgenpost an. 300 Millionen Euro könnten eingespart werden, wenn die Ansprüche des Denkmalschutzes gesenkt werden würden.
Da horchten in Berlin alle auf und fingen an zu rechnen. Richtig ist, dass die betroffenen Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Aber üblicherweise würden diese Auflagen etwa 5 bis 6 Prozent der Gesamtkosten von solchen Projekten ausmachen, hieß es von verschiedenen Stellen.
Der Tagesspiegel fragte bei der Senatskanzlei nach und erhielt die Auskunft, dass es sich bei den Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters nicht um eine belastbare Kalkulation gehandelt habe, sondern mehr um ein Synonym für „deutlich günstiger“. Rechnen ist eben anstrengend und Sparen noch viel mehr.
Der Denkmalschutz ist aber ein Problem für den Umbau des Terminals A zum Standort der Hochschule. Der Vorgänger von Professor Gerber hatte die Situation mit den vielen Auflagen in dem Podcast „Die Zukunft entsteht in Reinickendorf“ als „abstrus“ bezeichnet. Gerber äußert sich gegenüber der RAZ jetzt vorsichtiger und spricht von „nicht angemessen“ und plädiert dafür, dass die Maßnahmen „neu bewertet“ werden.
Neues erst nach Haushaltsplanung
Solange die Haushaltsplanung des Berliner Senats zu diesem Thema nicht abgeschlossen sei, wolle er sich aber nicht endgültig dazu äußern. Allerdings legt er Wert darauf, dass es keinen Plan B gebe, die BHT also darauf angewiesen sei, die Erweiterungsflächen zu bekommen. Außerdem sei bereits ein „zweistelliger Millionenbetrag“ in die „total seriöse Planung“ geflossen. Seine Enttäuschung kann er kaum noch zügeln und setzt nach: „Wir kriegen für unsere Geduld keinen Benefit“.
Bezirksbürgermeistern will dran bleiben
Auch die Geschäftsführung der Tegel Projekt GmbH bemüht sich in diesem politischen Minenfeld um Gelassenheit. In einem offiziellen Statement erklärt der Geschäftsführer Frank Wolters die Erfolgsfaktoren für die „Entwicklung internationaler Innovationsstandorte“. Diese „unterstreichen die Notwendigkeit einer hochwertigen wissenschaftlichen Einrichtung am Standort, um dessen Innovationskraft nachhaltig zu sichern“. Das heißt, die Projektgesellschaft hofft noch auf eine Lösung in ihrem Sinne, so dass sie weiterhin mit der BHT rechnen kann. Die Bezirksbürgermeisterin hat sie auf jeden Fall auf ihrer Seite, denn die kündigt an, sie werde „bei jeder Gelegenheit das Gespräch mit den Verantwortlichen des Senats suchen, um sich für einen Erfolg der Urban Tech Republic einzusetzen“.