RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Eine Frau steht mit einem Käsekuchen in Händen auf der Terrasse eines Cafés. Im Hintergrund eingeklappte Sonnenschirme und Stühle.
Foto: fle

Sorge um den Schäfersee-Kiez

Residenzstraße und der angrenzende Park werden mehr und mehr zur Problemzone

Eigentlich müsste der Kiez rund um die Residenzstraße boomen und die Lebensqualität steigen. Das wurde jedenfalls prophezeit, als der Flughafen Tegel schloss. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Kiez rutscht immer mehr ab. „Ich bin nun 24 Jahre im Café am Schäfersee – aber was sich nun hier abspielt, habe ich noch nicht erlebt“, sagt Silvia Cetin. Ihre Stirn ist voller Sorgenfalten, „Es ist wirklich schlimm geworden, der ganze Kiez geht den Bach runter“, erklärt die 65-Jährige. Sie blickt über die Terrasse auf den Parkweg und zeigt auf die Polizisten, die gerade einen Mann in Handschellen abführen. „Genau das meine ich. Überall werden offen Drogen gespritzt, dass es auch Kinder mitkriegen. Meine älteren Cafébesucher nehmen sich ein Taxi von ihrer Wohnung oder vom Seniorenheim hierher, weil sie schon überfallen wurden und Angst haben.“

Müll, Vandalismus, Drogen

Von den 30 neuen Terrassenstühlen wurden schon zehn geklaut. Und nachts steigen Gruppen über den kleinen Zaun und feiern auf ihrer Terrasse. Sie zeigt auf einen Tisch, dessen Oberfläche verkohlt ist. „Hier sitzen sie, rauchen ihre Bongs, verkokeln die Tische und hinterlassen leere Flaschen und Müll.“ Viele Aktionen hat sie in den vergangenen Jahren bereits ins Leben gerufen – vom Müllsammeln über Nikolausveranstaltungen für Kinder bis zum Kampf gegen die Miniermotte. Doch was sich nun rund um ihr Café abspielt, macht sie sprachlos. Eine Aufwertung soll die Umgestaltung des Schäferseeparks bringen. „Doch was bringt uns ein schöner Park, wann sich niemand mehr hierher traut?“ fragt sie.

Situation noch verschärft

Nicht nur Drogen, sondern auch die Vermüllung und der damit einhergehende Rattenbefall sind ein Problem. Um diesem Herr zu werden, hat das Straßen- und Grünflächenamt Heckenschnittmaßnahmen eingeleitet – vom Gesundheitsamt angewiesen, sofort tätig zu werden, um die Gesundheit und Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Außerdem war das Ordnungsamt vor Ort; Parkläufer und soziale Organisationen sind ebenfalls eingebunden. Doch all das hat die Situation nicht verbessert. „Im Gegenteil: Sie hat sich noch verschärft“, sagt Norbert Raeder, ehemaliger Inhaber des Kastanienwäldchens und CDU-Bezirksverordneter, wütend. „Das hat auch mit der Schließung der Toilette im alten Kiosk zu tun.“

Kiosk soll positiv wirken

Der denkmalgeschützte Bau – vorne mit Kiosk und hinten mit Toilettenbereich, Foto: fle

„Es ist mir unbegreiflich, wie man sich Probleme schafft, indem man die Toilette schließt“, sagt Raeder. „Natürlich ist ein solcher Ort nicht schön, aber die Dinge geschahen nur dort und hinter verschlossenen Türen. Nun ist man live dabei, wenn Drogen auf einem Löffel warm gekocht und Spritzen injiziert werden. In den Grünflächen liegen Spritzbestecke, es riecht nach Scheiße und Urin. Das ist der pure Ghetto-Verfall.“ 

Eine fast 40.0000 Euro teure Machbarkeitsstudie zur Nutzung des denkmalgeschützten Kiosk – die CDU-Fraktion bezeichnet sie als rausgeworfenes Geld – wird derzeit kontrovers diskutiert. „Das Konzept sieht vor, dass der Kiosk ganzjährig genutzt wird“, erklärt Stadtentwicklungsstadträtin Korinna Stephan. Doch um Gastronomie oder Gewerbe dort anzusiedeln, müsse der Trafo des Stromnetzbetreibers ausgebaut werden. Die Realisierungskosten für die „sozio-kulturelle Nutzung“ würden rund 400.000 Euro kosten. 

Gefühl der Unsicherheit

Eine Anwohnerin nahe des Schäfersee-Cafés ist Anna S. „Wir wohnen seit einem Jahr hier und empfinden den See als kleine Oase mitten in Berlin“, sagt sie. „Wir haben viele Veränderungen wahrgenommen – positiv wie negativ. Dazu gehört die Neugestaltung des Schäferseeparks, um die Aufenthalts- und Nutzungsqualität zu verbessern. Aber wir nehmen auch wahr, dass Drogen offen konsumiert werden und regelmäßig Menschen im Schäfersee-Café einbrechen. Die Umgebung fühlt sich zunehmend unsicherer an. Dabei hat sie so viel Potenzial. Wenn die negative Entwicklung weiter zunimmt, müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, wegzuziehen.“

Akutes Handeln gefragt

Die CDU Reinickendorf hat ein Maßnahmenpaket geschnürt: „Es soll verstärkte Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen und soziale Unterstützung geben“, erklärt Fraktionsvorsitzender Marvin Schulz. „Das bedeutet mehr Polizeipräsenz, Rückschnitte, bessere Beleuchtung und engmaschigere Kontrollen im Umfeld durch das Gesundheits- und Ordnungsamt. Gleichzeitig setzen wir auf Präventionsarbeit, indem wir mehr Sozialarbeiter einsetzen und den Ausbau von Therapieplätzen vorantreiben. Wir können nicht auf langwierige Verwaltungsprozesse warten. Nur durch akutes Handeln kann die Situation im Park verbessert werden.“

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.