RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Hinter dem Vereinshaus gibt es eine schöne Terrasse – natürlich mit Havelblick. Fotos: Verein

„Tapfer, unverzagt und lächelnd“

Der Heiligenseer Kanu-Verein feiert in diesem Jahr „trotz alledem“ sein 100. Jubiläum

100 Jahre Wander-Paddler-Havel. Da gibt es eine Menge zu erzählen. Wenn der Verein also sein rundes Jubiläum begeht, dann werden die Geschichten und Anekdoten aus einem Jahrhundert Vereinsleben wieder aufgefrischt. Am 26. April, im Geburtsmonat, laden die Wanderpaddler zu einem Mannschaftswettkampf über 10 Kilometer ein. Um 11 Uhr geht es auf dem Revier vor dem Vereinsgelände in Alt-Heiligensee 112 los, nach der Siegerehrung gibt es Bratwurst, Kuchen und Getränke. Die große Jubiläumsfeier steigt dann am 5. Juli mit einem großen Festakt ab 15 Uhr. Zwei Anlässe, sich an die vielen Geschichten, stolze wie lustige, aber auch tragische, zu erinnern – in denen sich auch das politische Leben widerspiegelt.

Da wäre zum Beispiel der um 1905 gebaute Kanu 5er, der 1929 angeschafft wurde, und nach Rosa Luxemburg auf den Namen „Trotz alledem“ getauft wurde. Das Boot wurde zwischenzeitlich in „Helgoland“ umbenannt, und es existiert immer noch, nun wieder unter dem alten Namen. „So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd. Trotz alledem.“ Das hat die 1919 verstorbene linke Vordenkerin einst gesagt. Nach der Renovierung des 5er-Kanus wurde er im Jahre 2021 von der Kassenwartin Patrizia Kindermann, geb. Hoppe, neu getauft. Sie selber war in den Jahren 1981 und 1982 mit Inge Schramm Berliner Meisterin im Kanurennsport, in einem 2er aus Mahagoni-Holz, der auch den Namen „Trotz alledem“ trug.

Unorganisierte Paddler im Berliner Norden hatten sich vor mehr als 100 Jahren mit den „Freien Kanufahrern Berlins“ zusammengeschlossen. Weil aber der in Köpenick beheimatete Hauptverein zu viel Beitrag von der Nordgruppe wollte, gingen die Heiligenseer eigene Wege. Im April 1925 gründeten Robert Kurowski, Fritz Ratay, Walter Thiede, Theodor Knaebel, Fritz Knaebel und Walter Krebs den WPH. 1. Vorsitzender wurde Fritz Ratay, das erste Domizil war am Freibad und Restaurant Tivoli an der Sandhauser Straße. 1927 zog man nach Alt-Heiligensee um und baute hinter der ehemaligen Post eine Scheune zum Klubhaus um. Der neue Verein war der erste Arbeiterverein auf der Oberhavel und zunächst Mitglied im Arbeiter Turn- und Sportbund.
Die dunkle Zeit des Nationalsozialismus ging am WPH nicht spurlos vorbei. An allen Sitzungen nahm ein Vertreter der SS teil, um die Mitglieder auf „Vordermann“ zu bringen. Fast in jeder Woche musste der 1. Vorsitzende zur Leitstelle nach Spandau. Dort war bekannt, was im Verein los war, es gab einen Spitzel, aber wer das war, kam nie heraus. Trauriger Höhepunkt: 1944 wurden die vier Paddler Paul Knorr, Paul Junius, Karl Lütke und Fritz Klemmstein, die einer kommunistischen Widerstandsgruppe angehörten, von Hitlers Schergen ermordet.

Nach dem Krieg fanden sich die Kameraden wieder zusammen. Ausfahrten bis Oranienburg wurden unternommen, dann kam die Mauer und bei Hennigsdorf war Schluss. 15 Kameraden mussten den Verein verlassen, weil ihr Wohnsitz im Ostsektor lag. 1955 gab es eine harte Pachterhöhung, der Pachtvertrag wurde gekündigt. Am 8. Juni 1955 wurde für 11.000 Mark und mit Hilfe insbesondere des 1. DKV-Vorsitzenden Bruno Nathes, Unterstützung des Sportverbandes und des Senates. das Grundstück in Alt-Heiligensee 112 gekauft. Nach vier Jahren Bauzeit (fast alles in Eigenregie) wurde am 5. September 1959 das neue Bootshaus eingeweiht. In den 1980er Jahren forderten Naturschützer des Berliner Senats die Mitglieder auf, Schilf anzupflanzen, welches vom Tegeler Fließ geholt werden musste. Mehrere Versuche waren nötig, heute ist ein etwa zwei Meter breiter Schilfgürtel vorhanden. Der hintere Teil des Grundstücks ist ein Paradies für Biber und Dachs, Ringelnattern und Blindschleichen. Eine Fuchsmama mit zwei Jungen, Marderhund, Marder, Wildschweine, die übers Wasser geschwommen kommen, sind hier anzutreffen.

Der Verein steht aber auch für sportlichen Erfolg. Allen voran Oliver Kegel, Olympiasieger 1992 und mehrfacher Weltmeister, hat beim WPH, dem Verein seiner Eltern, das Paddeln gelernt. Nach dem Mauerfall brachte der im „normalen Leben“ als Lokomotivführer tätige Gunner Schwenzer als Trainer neuen Dampf. André Metzner wurde zweimal Vize-Europameister bei den Junioren, Barbara Baum holte EM-Gold, Isabel Kramer DM-Bronze. Aktuell eilt die 18-jährige Skadi Langbein von Erfolg zu Erfolg im Stand-Up-Paddling, einer relativ neuen Spielart im Kanusport.
Zum runden Geburtstag werden natürlich auch die Ehrenmitglieder erwartet. Wolfgang Block etwa wird im Mai 90 Jahre, ist wie der Wolfgang Hiller (Jahrgang 1937) Mitglied seit 1953. Ingrid Josupeit (Jg. 1939) gehört dem Verein seit Mai 1955 an, Renate Knaebel, die Schwiegertochter des Gründungsmitgliedes Theodor Knaebel, feiert just am 26. April den 85. Geburtstag und im Juli dann 65 Jahre WPH-Mitgliedschaft. Und die 93-jährige Lilli Pfeiffer ist Mitglied seit 1958.

Das RAZ Magazin sagt: Herzlichen Glückwunsch. 

Das bietet der Verein heute:
Stand Up Paddling – Ob gemütlich rausfahren oder sportlich schnell
Wanderfahrten – Alleine oder mit Vereinsmitgliedern oder befreundeten Vereinen
Leistungsgruppe SUP – Intensives Leistungstrainig für Wettkämpfe weltweit
Familien-Spaß – Ob einfach nur die Ruhe genießen oder Spaß auf dem Wasser haben

www.wander-paddler-havel.de

Bernd Karkossa

Meine journalistische Passion ist vor allem der Sport – auch beim RAZ Verlag. Deshalb lesen Sie meine lokaljournalistischen Beiträge zu sportlichen Themen neben der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung auch in anderen Medien wie WEZ oder RAZ Magazin.