RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Zwei Männer sitzen in einem Raum
Frank Speer (li) und Martin Wiegandt Foto: bs

Würdevolles Leben bis zum letzten Atemzug

Im Caritas-Hospiz in Hermsdorf ist der Tod ständiger Begleiter – Die Einrichtung ist auf Spenden angewiesen

Hermsdorf – Morgens waren noch alle 14 Zimmer des Caritas-Hospizes Reinickendorf mit Patientinnen und Patienten belegt. Vormittags starb eine Dame oder ein „Gast“, wie es hier heißt. Martin Wiegandt leitet das Hospiz auf dem Gelände der Dominikus-Klinik in Hermsdorf. Er erzählt das ohne Scheu und mit einem freundlichen Gesicht. Der Tod ist in diesem Backsteinhaus mit seinem modernen Anbau ein ständiger Bewohner. Etwa 120 „Gäste“ hatte das 2020 eröffnete Hospiz im vergangenen Jahr. 14 Gäste konnten wieder nach Hause oder wurden in Pflegeheime überwiesen.

Wiegand hat Krankenpfleger gelernt. Als Chef von 36 Festangestellten gehe es ihm darum, „ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben wie auch Sterben zu ermöglichen“. Er wohnt in Frohnau. Zwei seiner drei Kinder leben in Berlin. Ursprünglich kommt er aus Baden-Württemberg. Warum er diese schwere Aufgabe übernommen habe? „Weil wir alle beim Sterben Unterstützung brauchen.“ Und: „Sterben ist nicht nur eine Angelegenheit der Krankenkassen.“ 

Gern erzählt er von dem denkmalgeschützten ehemaligen Kinderheim, das die Dominikanerinnen als Katharinenhaus 1898 eröffneten. Im vergangenen Jahrzehnt wurde es aufwändig um- und ausgebaut. Im September dieses Jahres soll es eine Feier zum 5. Geburtstag der Hospiz-Eröffnung geben. Wiegand schaut den Zuhörer aufmerksam an und freut sich, als dieser über das Wort „Geburtstagsfeier“ stolpert. Ja, es gehe um Geburt, Leben und Sterben. Am 20. September soll es eine Veranstaltung mit Reden, Künstlern, Musik und Führungen durch das Haus geben. Alle seien eingeladen. 

Die meisten Gäste leiden unter Krebserkrankungen und seien 3 bis 6 Wochen „bei uns“. Auch Angehörige seien willkommen. Eine Spielecke für Enkelkinder gibt es auch, wenn es ihnen zu langweilig werde. Räume zum Treffen und Innehalten sind eingerichtet. Besonderes Augenmerk werde neben der ärztlichen Versorgung auf das Essen gelegt. Eine eigene Küche mit einem fünf-köpfigen Team sorge dafür, dass es der jeweiligen Situation angemessenes und schmackhaftes Essen gebe. 

Auf einer Pilgerreise Spenden eingesammelt

Gerade ist Frank Speer von einer sechstägigen Pilgerreise von Frankfurt an der Oder in Hermsdorf eingetroffen. Er ist pensionierter Lehrer, hat auf seiner Reise für die Hospizarbeit geworben und auch Spenden über ein Konto eingesammelt. 155 Kilometer ist er gelaufen. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Der geübte Pilger nimmt immer sein Einrad mit. Wenn die Wege es erlaubten, schwinge er sich auf dieses wackelige Gefährt und bewege so sich und seinen etwa acht Kilogramm schweren Rucksack. 40 Kilometer war seine längste Tagestour.

Am Tag nach seiner Rückkehr nach Berlin hatte Speer 578 Euro eingesammelt. Das waren 12 Spender und Spenderinnen, die zwischen 5 und 100 Euro gegeben hatten. Wiegand freut sich sehr über die Aktion und auch über das Geld, das hochwillkommen sei. 95 Prozent der Kosten für das Hospiz würden die Krankenkassen übernehmen, 5 Prozent sollen durch Spenden hereinkommen. Die 14 Plätze, die meistens besetzt seien, würden pro Tag und Gast mit etwa 500 Euro Gesamtkosten veranschlagt werden. Davon sollten Spenden etwa 25 Euro decken.

Insgesamt brauche Wiegandt 140.000 Euro Spenden pro Jahr. Zu Anfang sei das besser gelungen. Dann kam Corona. Im vergangenen Jahr seien nur gut 70.000 Euro an Spenden eingegangen. Dabei habe er noch so viel vor. Der Teich direkt vor den Balkonen der Gastzimmer sei von Spendengeldern angelegt worden. Jetzt sammele er für eine Spezialbadewanne mit Seiteneinstieg. Eine solche Spezialanfertigung koste 7.000 Euro. 

In der „letzten und sehr intimen Zeit eines endenden Lebens“ werde nicht „nur geweint, sondern auch viel gelacht“. Es würden mit Kindern und Enkeln Geburtstage und andere Familienfeste begangen. Wiegand zitiert Cicely Saunders, die Gründerin der Hospizbewegung: „Wir werden tun, was wir tun können, um dir zu helfen, nicht nur in Frieden zu sterben, sondern auch bis zuletzt zu leben“.


Spenden an Caritas Krankenhilfe Berlin gGmbH, IBAN DE05 3706 0193 6003 1690 12, Zweck: Caritas-Hospiz-Reinickendorf. 

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.