Wittenau – Ohne die Möglichkeit einer Abschiedsfeier ging die Gleichstellungsbeauftrage Brigitte Kowas Ende 2020 in den Vorruhestand und übergab den Staffelstab an die gebürtige Schleswig-Holsteinerin Birgit Haase, die Anfang der 80er Jahre zum Studium nach Berlin kam und blieb, weil sie diese quirlige, laute und bunte Stadt einfach wunderbar fand.
Woher kommt das Interesse für Gleichstellung?
Mein Praktikum Mitte der 90er Jahre in der Jugendförderung im Bezirksamt Reinickendorf hatte mich so begeistert, dass ich geblieben bin. Die letzten Jahre habe ich in der Funktion einer regional sozialpädagogischen Sachbearbeitung gearbeitet, zuständig für die Sozialraumorientierung und verschiedene Fachthemen, die dem Jugendamt zugeordnet sind. Mein Fachthema „Geschlechtsbewusstes Arbeiten mit Mädchen“ bot mir die Gelegenheit, am Thema der Mädchenförderung zu arbeiten und erste Einblicke in diese Arbeit zu gewinnen.
Was sind die nächsten Projekte?
Im zweijährigen Wechsel soll es zu dem von Brigitte Kowas in Kooperation mit unserer Wirtschaftsförderung entwickelten Preis „Reinickendorfer Frauen in Führung“ einen Preis geben, der sich an Väter richtet, die ein besonderes Engagement zeigen in der Familien- und Care Arbeit, in Pflege und in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Wünschenswert wäre, dass in jeder Region mindestens drei Angebote für interessierte Väter in Familien- und Stadtteilzentren angeboten werden. Auch möchte ich die geschlechtssensible Jungenarbeit fördern, dafür brauchen wir deutlich mehr Angebote in der Jungenarbeit. Fußballspielen ist ganz schön, aber Jungen und junge Männer brauchen eine Begleitung, gerade auch in der Pubertät, um über ihre eigenen Themen, Anliegen und Befindlichkeiten zu sprechen, sich auszutauschen zu können, Rat zu holen. Eltern sind da häufig nicht gefragt.
Welche Missstände gibt es im Bezirk?
Einen Mangel sehe ich vordringlich darin, dass es nur drei Beratungseinrichtungen für an Gewalt betroffene Frauen gibt. Die letzten Zahlen des BKA haben auch für Reinickendorf in 2019 einen Anstieg der von Gewalt betroffenen Frauen gezeigt. Auch müssen Plätze in Zufluchtswohnungen dringend erhöht werden. Die Situation der alleinerziehenden Mütter ist verbesserungsfähig. Die Themen liegen hier auf der Hand: günstiger Wohnraum, Kitaplätze und flexible Kinderbetreuung, Teilzeitjobs und Altersarmut. Bestehende Angebote müssen gut sichtbar und Bedarfslücken geschlossen werden. Wir haben glücklicherweise seit Ende letzten Jahres eine Koordinationsstelle für das Thema Alleinerziehende im Bezirk.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Definitiv gehört der Ausbau der Hilfeangebote für an Gewalt betroffene Frauen zu meinem größten Ziel. Ein Sahnebonbon wäre es, wenn der Ausbau des ehemaligen Flughafengeländes mit Gewerbeansiedlung und dem Bau von 5.000 neuen Wohnungen und entsprechenden Straßen die Möglichkeit böte, diese Straßen nach großartigen Frauen zu benennen, ähnlich wie in der Gartenstadt Rudow – wo der Bezirk Neukölln verdienten Frauen ein Zeichen gesetzt hat.
Interview Daniele Schütz-Diener