Pfarrer Michael Glatter von der Evangelischen Kirchengemeinde ist für die Kolonie Seebad zuständig. Foto: bs

Brandschutz könnte teuer werden

Pächter in der Kolonie Seebad sehen erhebliche Kosten auf sich zukommen

Heiligensee – Seit mehr als 200 Jahren gehört der evangelischen Kirche ein Grundstückstreifen am südöstlichen Ufer des Heiligensees. Vor einem Jahrhundert wurde das Gelände zu Freizeitzwecken in etwas mehr als 100 Parzellen aufgeteilt, die mit kleinen Wochenendhäusern bebaut werden durften. Die zwei Weltkriege mit Wirtschaftskrisen führten zu einem gewissen „Wildwuchs“, wie der zuständige Pfarrer Michael Glatter von der evangelischen Kirchengemeinde Heiligensee sagt. Vor einigen Jahren hat der Bezirk sehr deutlich auf die Einhaltung der Brandschutzregeln hingewiesen, die auch in der sechs Hektar großen „Kolonie Seebad“ eingehalten werden müssen. Das alles hat Glatter geerbt, als er seine Pfarrstelle 2015 in Heiligensee antrat. Seitdem ist er auch Manager für diese besondere kirchliche Immobilie. 

„Das haben wir im Theologiestudium nicht gelernt“, sagt der Pfarrer, gibt sich aber ansonsten gelassen. Mit mehreren Veranstaltungen hat Glatter die Pächter auf die Situation hingewiesen. Im Kern geht es darum, dass der Abstand zwischen den Gebäuden fünf Meter betragen muss, eine „harte Bedachung“ vor Funkenflug schützen soll und sich keine „Brandlasten“ zwischen den Häuschen befinden dürfen. Letzteres sind häufig Schuppen, Holz- oder Materiallager. Er schätzt, dass etwa 50 Prozent der Parzellen von der Kritik eines extern bestellten Brandsachverständigen betroffen sind. Bis zum Jahresende sollen die Pächter und Pächterinnen ihre Parzellen im Sinne der Brandschutzregeln in Ordnung gebracht haben. 

Pfarrer Glatter schwingt sich auf sein Fahrrad und führt durch seine Kolonie, die idyllisch am Heiligensee gelegen ist. Er grüßt freundlich zu allen Seiten und wird auch hier und da erkannt. Viola Bömer hat 2012 einen Bungalow mit Eckgrundstück übernommen. Ihr gelb gestrichenes Haus wurde 1954 „im Rahmen der großen Wohnungsnot“ gebaut. Ständig wohnen darf sie in der Kolonie nicht. Sie hält sich an diese Regel, ob alle anderen Bewohner das tun, ist zumindest fraglich. Sie zeigt Verständnis für die Einhaltung der Brandschutzmaßnahmen, die der Bezirk verlangt und die Kirche nun mit den Pächtern und Pächterinnen umsetzen muss. 

Allerdings sorgt sie sich wegen der Kosten. Der Abstand zum nächsten Haus ist zu gering. Mit ihrem Nachbarn hat sie sich darauf geeinigt, eine Brandschutzwand gemeinsam zwischen die beiden direkt an der Grundstückgrenze gebauten Schuppen zu bauen. Diese soll ein Feuer aufhalten und muss 50 Zentimeter höher als die Dächer der Schuppen sein, so will es der Brandschutzexperte. Der Nachbar ist handwerklich geschickt und wird die Mauer selbst bauen. Aber allein das Material koste seiner Schätzung nach 2.000 Euro. Hinzu kommen für beide Hauspächter jeweils 500 Euro für die Begutachtung der Dächer. Sind sie mit herkömmlicher Dachpappe gedeckt, sind weitere Kosten für eine brandresistente Bedachung absehbar.

Glatter hat von Befürchtungen in der Kolonie gehört, einige zehntausend Euro in den Brandschutz investieren zu müssen. Jahrzehntelang wurde nicht so genau hingeschaut, wer wo was wie gebaut hat. Viele Pächter haben nun ein Einsehen, etliche grummeln und ein paar protestieren. Glatter bringt die Stimmungslage auf folgenden Nenner: „Die einen sagen: Wird ja auch mal Zeit, andere:  Muss das denn sein.“ Gerichtsverfahren gibt es bisher aber keine, wie Glatter sagt. Eine Anwaltskanzlei begleitet die Kirchengemeinde bei dem nicht ganz einfachen Prozess der Vergangenheitsaufarbeitung.

 Thorsten Fritz, Vorsitzender des Bezirksverbands der Kleingärtner Reinickendorf e.V., kennt die Vorgänge in der Kolonie Seebad, betont aber, dass diese nicht zu seinem Verband gehöre. Bei seinen Mitgliedern werden bei jedem Pächterwechsel die Vorschriften kontrolliert und bei Bedarf werde eingegriffen. Das plant Glatter in Zukunft auch so zu handhaben. Die Frist bis zum Jahresende, alle amtlich geforderten Maßnahmen umzusetzen, will er einhalten. Ansonsten werden die Pachtverträge nicht verlängert. Neue Verträge versieht die Kirchengemeinde mit einer Auflösungsklausel für den Fall, dass die monierten Missstände nicht beseitigt werden.

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.