Bezirk – Der Bericht einer leitende Ärztin einer Intensivstation über unverschämte Reaktionen auf ihren Corona-Bericht in den sozialen Medien hat mich bewogen, mein Klinik-Tagebuch mit Ihnen, liebe Leser, zu teilen. Die Corona-Leugner und die „Querdenker“-Demonstranten gefährden mit ihrem sträflichen Leichtsinn das Leben Vieler. Während sie Lockerungen nicht nur zum Jahreswechsel fordern, wurden inzwischen zirka 1,25 Millionen Deutschen infiziert, von denen viele das Weihnachtsfest vielleicht nicht mehr erleben werden.
Die Zahl der täglichen Todesmeldungen macht mir Angst. Ich, Eugen Schmitz, lebe im 80. Lebensjahr sehr achtsam mit einer chronischen Lungenerkrankung und wurde in einer Klinik mit Covid-19 infiziert.
Tag 1 (10. November), Berliner Klinik: Der dritte negative Corona-Test ist da und damit kann nach elfmonatiger Leidenszeit (nach einer verpfuschten Hüft-OP im vergangenen Jahr) nun endlich die lang geplante Repair-OP erfolgen. 203 neue Corona-Tote in Deutschland*.
Tage 2 bis 5: Wegen der Lungenerkrankung war die Narkose problematisch, sonst läuft alles nach Plan. Zur Sicherheit kein Besuch. Todeszahlen: 222*/194*/227*/116*
Tag 6: Die Klinik bietet vorzeitige Entlassung an, die Betten sind begehrt. Todeszahl: 73*
Tage 7-8: Entlassung nach Hause. Sehr ungemütlich mitten im lang geplanten Familienumzug und dem Beginn umfangreicher Bauarbeiten: Todeszahlen: 199*/ 357*
Tag 9: Transport in die Oberlin-Rehaklinik Bad Belzig, Corona-Test negativ, Einzelzimmer, Todeszahl: 244*.
Tag 10: Trotz Abstandsregeln fühle ich mich unsicher, trage als einziger Handschuhe. Im Restaurant gibt es bei geteilten Gruppen kurz Gedränge am Buffet, und ich muss mir mit meiner Gehhilfe Abstand verschaffen. Bewegungsübungen werden in der Gruppe angeordnet. Ich finde das gefährlich und fahrlässig. Todeszahl: 251*
Tage 11 bis 15: Rehabilitanten und Mitarbeiter werden positiv auf Corona getestet, Therapien werden ausgesetzt. Es werden immer weniger Patienten im Restaurant, täglich fahren mehrere Krankenwagen: 288*.
Tag 16: Anweisung zum Kofferpacken. Todeszahl: 410*. Tage 17 und 18: Unsicherheit bei allen Patienten. Todeszahl: 389*/426*
Tage 19 und 20: Test positiv, Verlegung in die Ernst -von-Bergmann Klinik in Bad Belzig, Doppelzimmer zur Einzelnutzung, Probleme mit der Lunge und Nasenbluten. Todeszahlen: 379*/158*
Tag 21: Ein ebenfalls positiv getesteter Patient aus der Reha-Klinik wird zu mir zwangsverlegt. Die Reha wird komplett geschlossen. Immer noch Lungen-Probleme und Nasenbluten. Todeszahl: 329*
Tage 22 bis 23: Weiter Probleme mit Lunge und Nasenbluten, ständige Müdigkeit. Die Klinik stößt an ihre Grenzen; Entlassung nach Berlin angekündigt. Das Gesundheitsamt Reinickendorf wird eingeschaltet und kann in Zusammenarbeit mit dem Katastrophenschutz eine Unterkunft für die Quarantäne zur Verfügung stellen. Endlich Rettung in dieser verzweifelten Situation. Von ganzem Herzen Dank dafür! Todeszahlen: 497*/ 453*
Tag 24: Transport nach Berlin im Quarantäne-Fahrzeug. Ich fühle mich sehr schwach und schlafe viel. Die Familie stellt zweimal täglich Essen, Lesestoff und frische Wäsche vor die Tür; die Hausärztin betreut telefonisch. Todeszahl: 448*
Tage 25 bis 30: Todeszahlen: 431*/284*/184*/380* Alle vier Minuten stirbt ein Mensch an Corona. Meine Quarantäne gilt noch drei Tage; ich hoffe inständig, dass ich dann den Irrsinn überstanden habe und der Test negativ ausfällt. Meine Hoffnung ist, dass ich dann endlich Zuhause gesund werden kann und keine weiteren Quarantänemaßnahmen für die Familie erforderlich werden. Inzwischen wurde eine 90-jährige Britin als Erste gegen Corona geimpft. Ich hoffe, dass meine Familie und ich auch bald dadurch geschützt werden können. Die notwendige Rehabilitationsmaßnahme hat nicht stattgefunden, aber die Klinik schickt eine Rechnung der Telefonkosten mit der Unterschrift: „Wir hoffen, dass Sie einen angenehmen Aufenthalt hatten“. Solche Post empfinde ich mehr als taktlos.
Ob die Corona-Leugner ahnen, was in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen zur Zeit los ist? Und was eine Corona-Infektion mit den Infizierten macht?
Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten verkünden am 13. Dezember den strengen Lockdown ab 16. Dezember. Am 8. Dezember meldete die John Hopkins University für Deutschland 622 Tote, auch an den folgenden Tagen blieb die traurige Zahl noch über der Schallgrenze von 500 am Tag.
aufgezeichnet von kbm
*Quelle: „Statista“