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Der Mietendeckel kommt – oder nicht?

Bezirk – Der „Mietendeckel“ ist zwar noch nicht vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, doch schon wirft er seinen Schatten voraus: Auf der Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung wurde einem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion entsprochen, der den Senat zur Zurücknahme des Gesetzes und vermehrten Neubau wie zur Einführung einer Leerstandsabgabe aufforderte.

Seit Monaten wird um das Gesetz gestritten, das zunächst die selbst nach Mietspiegel zulässigen Miet- erhöhungen für fünf Jahre in ganz Berlin untersagen soll. Zudem sollen die Quadratmetermieten bei Neuvermietung auf die einer neue Mietentabelle gesenkt werden, die den Werten des Mietspiegels von 2013 entspricht. Allerdings mit einigen Besonderheiten – so sollen Zuschläge für zahlreiche wohnwerterhöhende Merkmale und erfolgte Modernisierungen ersatzlos gestrichen werden. Zudem sollen selbst rechtswirksam vereinbarte Mieten nachträglich auf diese Werte gesenkt werden können, wenn sie zwanzig Prozent über diesen Tabellenwerten liegen.

Ursprünglich sollte das Gesetz bereits im Januar rückwirkend zum 18. Juni 2019 in Kraft treten, doch der Widerstand der Verbände von Vermietern, Genossenschaften und der Bauwirtschaft war größer als die rot-rot-grüne Landesregierung es erwartete.

Kritiker sehen im Mietendeckel zunächst mangels Landeskompetenz einen Verstoß gegen das Grundgesetz, der zudem die oft eher vermögenden Mieter in teuren Innenstadtlagen entlaste anstatt die Bewohner in den Randlagen. Zudem seien erhebliche Auswirkungen auf die Bauwirtschaft zu erwarten, da die Finanzierung des Neubaus üblicherweise aus den Einnahmen der Bestands- immobilien erfolge. Die Genossenschaften und die Vermieter von wenigen Wohnungen gaben zu bedenken, dass ihre Mieten in der Regel eher knapp kalkuliert seien und daher Sanierungen und Bauprojekte gestoppt werden müssten. Mit Plakataktionen und einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor machte die Branche auf diese Aspekte aufmerksam.

Die Befürworter verweisen dagegen auf die finanzielle Entlastung der Mieter, den Schutz vor Verdrängung durch exorbitante Mietsteigerungen und die erhöhte Kaufkraft der Berliner. Man wolle die auf fünf Jahre befristete Maßnahme für den Neubau aus eigener Kraft nutzen.

Der Rat der Berliner Bürgermeister lehnte angesichts der erwarteten Arbeitslast alle Verpflichtungen aus der Kontrolle des neuen Gesetzes ab. Nun legte Reinickendorf nach und forderte den Senat nicht nur zur Rücknahme des Gesetzes auf, sondern auch zur Einführung einer Leerstandsabgabe, um dem spekulativen Leerstand von Wohnungen vorzubeugen. Zudem solle der Neubau gefördert werden. Allerdings ist gerade Reinickendorf in Sachen Neubau kein mustergültiges Beispiel: 2018 hatte der Bezirk mit nur 484 neuen Wohnungen den geringsten Neubau aller Berliner Bezirke vorzuweisen.mvo

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.