Das Europäische Gymnasium Bertha-von-Suttner benannte sich erst 1946 nach der bekannten Pazifistin. Ins Leben gerufen wurde die Schule in der Gemeinde Reinickendorf bereits am 22. April 1908 durch eine Bürgerinitiative aus dem Dorf, das damals noch nicht zu Berlin gehörte. Fünf Jahre später übernahm der preußische Staat die Einrichtung als „Lyceum Reinickendorf“, das allerdings keinen festen Standort hatte, sondern in unterschiedlichen Schulen untergebracht wurde. Im Jahr der Schulgründung äußerte sich die spätere Namenspatronin übrigens fast prophetisch über die Weltlage in 100 Jahren – lange vor dem Aufkommen von Atomwaffen: „Wir sind im Besitze von so gewaltigen Vernichtungskräften, dass jeder von zwei Gegnern geführte Kampf nur Doppelselbstmord wäre. Wenn man mit einem Druck auf einen Knopf, auf jede beliebige Distanz hin, jede beliebige Menschen- oder Häusermasse pulverisieren kann, so weiß ich nicht, nach welchen taktischen und strategischen Regeln man mit solchen Mitteln noch ein Völkerduell austragen könnte.“
Dass die Schule später zwei Weltkriege durchleiden musste, war damals noch nicht abzusehen. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Schülerinnen in einen tschechischen Ort bei Brünn verschickt. Erst Wochen nach der Kapitulation konnten sich die Mädchen und Lehrkräfte nach Berlin durchschlagen.
Ab 1952 besuchten auch Jungen das Gymnasium, das erst 1960 ein eigenes Gebäude erhielt und zwanzig Jahre später durch einen Anbau für Fachunterrichtsräume ergänzt wurde.
2011 wollte das „Europäische Gymnasium Bertha-von-Suttner“ mit der Erweiterung seines Namens ein Zeichen für Völkerverständigung setzen – ganz im Geist der Friedenskämpferin, die 1843 in Prag als Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau geboren wurde. Sie wuchs nach dem Tod ihres schon 75-jährigen Vaters bei der Mutter auf. Gegen den Willen seiner Eltern heiratete Arthur Suttner die sieben Jahre ältere Bertha. Beide schrieben zahlreiche Artikel für die deutschsprachige Presse. Mit ihrem Antikriegsroman „Die Waffen nieder!“ hatte sie 1889 enormen Erfolg. In den Folgejahren wurde das Werk in mehr als zwölf Sprachen übersetzt. Den Titel nutzte die Autorin auch für eine Zeitschrift, die über zehn Jahre lang zur „Förderung der Friedensbewegung“ herausgegeben wurde. Sie forderte, dass Friedensanhänger „auch öffentlich als solche sich bekennen“ und reiste als Rednerin zu vielen Kongressen in Europa und den USA. 1904 referierte sie auch bei der Konferenz des Internationalen Frauenrates in Berlin. Im Jahr darauf erhielt sie den Friedensnobelpreis, zu dem der Stifter Alfred Nobel durch sie inspiriert wurde. Sie war die erste und jahrzehntelang einzige Frau, der diese Ehre zuteil wurde. Zwei Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlag sie ihrem Krebsleiden.
Bis heute legt das Gymnasium, an dem auch die aus „Türkisch für Anfänger“ bekannte Schauspielerin Pegah Ferydoni ihr Abitur machte, großen Wert darauf, nicht nur den vorgegebenen Lehrstoff zu vermitteln, sondern auch mit Veranstaltungen wie „Jugend debattiert“ das Demokratieverständnis der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Boris Dammer
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Das Europäische Gymnasium Bertha-von-Suttner Foto: Wikipedia/Egykisagnes