Eine sandige Böschung mit einer Reihe aneinandergesetzter Holzbalken, auf denen sich eine Art Graffiti-Aufschrift zum Thema FKK befindet.
„Menschenschutzreservat“ für Nudisten am Flughafensee. Foto: bs

Ein Stich mitten ins Herz

FKK-Strand am Nordufer des Flughafensees wurde vom Amt mit Zaun abgesperrt

Tegel – „Wie die Axt im Walde“, schimpft Walter Fock.  Am 23. März, morgens um 8 Uhr, sei das Technische Hilfswerk (THW) zum FKK-Strand am Nordufer des Flughafensees gekommen und habe die von Bürgern errichteten Spundwände abgesägt und eingerissen. Der beliebte Badeplatz für die Textillosen wurde mit einem provisorischen Bauzaun abgesperrt. Auf einem Schild war zu lesen, dass „die Standsicherheit der Böschungen nicht mehr gewährleistet“ werden könne und deswegen jetzt das Nordufer weiträumig abgezäunt werde. Davon betroffen seien insgesamt vier Badestrände, sagen protestierende Bürger und Bürgerinnen.

Eine Gruppe von ihnen hatte sich am vergangenen Samstag am Nordufer eingefunden, um über die Situation zu informieren. Oktavia Göritz kommt immer extra aus Schöneberg und genießt diese Badestelle schon seit Jahrzehnten. Sie ist entsetzt, dass diese Zeit nun vorbei sein soll. Andere Frauen pflichten ihr bei und betonen immer wieder, dass sie sich als Nacktbadende an diesem Strand besonders sicher vor Übergriffen gefühlt hätten, weil alle hier gegenseitig aufeinander aufpassten.  Albin Sokolowski steht dabei und sagt, dies sei ein „Menschenschutzreservat“. 

Das zuständige Bezirksamt Reinickendorf, Abteilung Ordnung, Umwelt und Verkehr, sieht das anders. Die Behörde warnt ausdrücklich vor „Lebensgefahr“. Bezirksstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) informiert in einer Pressemitteilung, dass nicht nur Böschungsabbrüche oberhalb des Strandes gefährlich werden können, sondern sich auch „Abbruchverhältnisse unterhalb des Wasserspiegels befinden, so dass man diese nicht immer direkt sehen kann.“ Der See entstand durch den Abbau von Kies in den 50er, 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seit etwa 50 Jahren wird er als Badesee genutzt. Mit 34 Metern soll er das tiefste Gewässer Berlins sein. 

So einfach wollen die Liebhaber dieser Badestelle nicht klein beigeben. Sie haben eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „retten.den.flughafensee“ gegründet. Außerdem sammeln sie Unterschriften auf einzelnen Blättern. Den Stapel Papier wollen sie dem Bezirksamt übergeben. Mehr als 400 Unterschriften seien schon zusammengekommen. Sie haben zwar auch eine Online-Petition vorbereitet, aber Bernd Kohne meint: „Papier macht mehr her“. Er betont, dass dieser Strand auch für kleine Kinder geeignet gewesen sei, weil „keine Drogenspritzen“ herumgelegen hätten. Die Nutzer der kleinen Bucht hätten für Sauberkeit gesorgt.

Für die nächste Bezirksverordnetenversammlung haben sich sechs Fragestellende vorbereitet, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, sich direkt an die Bezirksverordneten zu wenden. Aufgeben komme nicht in Frage. Einige haben in den vergangenen Jahren selbst Hand angelegt, um das drohende Abrutschen der Böschung zu verhindern. Stützen aus massiven Baumstämmen hielten die Erde auf. Eine Treppe sorgte dafür, dass die Besucherinnen und Besucher sicher zum Strand hinuntergelangten. Bis das THW kam und vieles davon wegriss.

Einen „Akt von Vandalismus“ sieht Fock in dem Vorgehen der Behörde. Er sagt, es sei „das Dümmste und Primitivste, hier einfach einen Zaun zu ziehen“. Noch ist es nur ein provisorischer Stellzaun, in dem sich schnell eine Lücke findet, um auf den Strandabschnitt zu kommen. Ab und zu fährt die Polizei Streife auf dem nahen Uferweg, greift aber bisher nicht ein. Vielleicht gibt es noch eine andere Lösung, als Erholungssuchende einfach von einem Vergnügen auszusperren, dem sie Jahrzehnte nachgingen. Ein Protestierender sagt traurig über die Maßnahmen des Bezirks: „Sie haben mir mitten ins Herz gestochen“.

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.