Reinickendorf – Oben im dritten Stock des gesichtslosen Bürogebäudes in der Residenzstraße angekommen, erwartet den Besucher keineswegs eine glitzernde Startup-Welt. Die Möbel sind alt und zusammengewürfelt, „eben das, was wir von der Beuth-Hochschule mitnehmen konnten“, erklärt Elli Strauven-Dejean und verbessert sich gleich: „Seit dem 1. Oktober heißen wir ja Berliner Hochschule für Technik“, abgekürzt BHT. Sie müsse sich noch daran gewöhnen. Strauven-Dejean leitet das Gründerzentrum mit dem nicht leicht von der Zunge gehenden Titel „BHT Startup Hub“.
Hier mitten in Reinickendorf dürfen Firmengründer- und gründerinnen mit ihrer Idee erste Gehversuche unternehmen und werden dabei von Fachleuten unterstützt. Yair Kira kommt aus Israel und Mandar Mehta aus Indien. Sie haben ein Gerät erfunden, das Frauen mit Beckenbodeninsuffizienz bei Inkontinenz helfen soll. Yair Kira bezeichnet sich als „feminist in soul“. Hier läuft alles auf Englisch. Die beiden werden mit einem Stipendium unterstützt. Zusätzlich bekommen die Gründer für mindestens sechs Monate den Büroraum gestellt und können Hilfe bei der Finanzplanung, bei rechtlichen Fragen und beim Erstellen von Präsentationen für Investoren einholen. Alles ist darauf ausgelegt, dass sie auf dem Markt eine Chance bekommen.
Strauven-Dejean ist stolz darauf, dass die derzeit geförderten 22 Gründer mit 10 Projekten aus 13 Nationen kommen. Alle Kontinente sind vertreten. Allerdings ist davon im Augenblick nicht viel zu sehen. Erst 2019 ist der Startup Hub aus der Innenstadt nach Reinickendorf gezogen. Gleich danach kam die Corona-Pandemie mit zahlreichen Einschränkungen. So blieben die Räume weitgehend leer. Die Gründer arbeiteten von zu Hause. Strauven-Dejean hofft, dass mit der „nächsten Kohorte Anfang des neuen Jahres“ wieder mehr Leben in ihre Etage einzieht.
Sie stieß 2019 zum Gründerzentrum und kommt ursprünglich vom Theater und der Veranstaltungstechnik. Das hat sie studiert und später eine eigene Firma für Bühnenbilder aufgebaut. Sie weiß, dass längst nicht jede Firmengründung zum Erfolg führt. So stark auch immer die Euphorie am Anfang ist, der Markt sortiert gnadenlos aus. Aus dem Förderjahr 2019 sind zwei von zehn Firmen „drangeblieben“. Aus dem Jahr 2020 sind noch alle sechs Firmen „am Leben“ und haben eine Anschlussfinanzierung bekommen. Ein großer Erfolg ist der Routenplaner Calimoto. Die Firma hat sich darauf spezialisiert, Motorradfahrern besonders kurvige Strecken vorzuschlagen. Ihr Motto: „No more straight roads“ – keine geraden Strecken mehr.
In der Residenzstraße fühlt sich Strauven-Dejean mit ihren Gründern „ganz gut“. Sie lobt den nahen U-Bahnanschluss und die vielen Einkaufsmöglichkeiten. „Man erwartet hier nicht unbedingt einen Startup Hub, aber für unsere Zwecke ist der Ort gut geeignet.“ Dennoch bereitet sie sich auf einen Umzug vor. Ein Teil der Berliner Hochschule für Technik wird in das Zentralgebäude des ehemaligen Flughafens Tegel einziehen und Teil der „Urban Tech Republic“ werden. Auch der „BHT Startup Hub“ soll dann dort neue Räume bekommen.
Das wird voraussichtlich 2027 geschehen. Zuvor müssen noch die Planungen und Umbauten in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz vollendet werden. In der „Urban Tech Republic“ sollen bis zu 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen. bs