Vor 100 Jahren wurde Ernst Borsig als Präsident der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände zum Vertreter aller Unternehmer des Landes und ihrer Interessen. Er war ein Enkel des Firmengründers August Borsig. Beim Tod seines 49-jährigen Vaters 1878 war Ernst erst neun und seine beiden Brüder waren ebenfalls noch minderjährig, so dass vorerst ein Kuratorium die Leitung der Firma übernahm, bis die drei ihre Ausbildung abgeschlossen hatten. Nach dem tödlichen Unfall des Ältesten in einem Kohlebergwerk stand Ernst an der Spitze des Unternehmens, das unter seiner Leitung aus der Stadtmitte nach Tegel umzog.
Stinnes-Legien-Abkommen von 1918
Anfangs hatten in Deutschland die verschiedenen Branchen der Industrie ihren jeweils eigenen Arbeitgeberverband. Als erster seiner Art gilt der 1869 gegründete Deutsche Buchdruckerverein, der in Reaktion auf das Erstarken der Gewerkschaften und ihrer organisierten Streiks entstand. 1904 gründete sich der Verein deutscher Arbeitgeberverbände, aus dem nach neun Jahren die „Vereinigung“ hervorging, der Borsig später vorstehen sollte. Einen Meilenstein für Tarifverhandlungen stellte das Stinnes-Legien-Abkommen von 1918 dar. Hugo Stinnes, der ein enormes Handels-imperium aufgebaut hatte, vertrat die Arbeitgeberseite und der Wortführer der Arbeitnehmer war Carl Legien, der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands.
In dem Beschluss heißt es unter anderem: „Das Höchstmaß der täglichen regelmäßigen Arbeitszeit wird für alle Betriebe auf acht Stunden festgesetzt. Verdienstschmälerungen aus Anlass dieser Verkürzung der Arbeitszeit dürfen nicht stattfinden.“ Das Ergebnis dieser Vereinbarung brachte endlich die 48-Stunden-Woche, für die so lange gekämpft wurde; der Samstag als Arbeitstag wurde erst gut vier Jahrzehnte später abgeschafft.
Ernst von Borsig gehörte zu den Unterzeichnern des historischen Dokuments – mit seiner schwungvollen Unterschrift direkt unter der des späteren Außenministers Walther Rathenau. Als Borsig 1924 Präsident der VDA wurde, veröffentlichte er die Schrift „Industrie und Sozialpolitik“, in der es heißt: „Wie jede Politik ist auch die Sozialpolitik nur eine Politik des Möglichen, des Durchführbaren, des Tragbaren …“
Von Köln nach Berlin
1933 löste sich der VDA auf Druck des NS-Regimes auf. Seit November 1950 existiert dieser Zusammenschluss unter dem Namen „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“. Der Sitz lag bis 1999 in Köln, dann folgte der Umzug nach Berlin. Der Name des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer hat sich wegen seiner Entführung durch RAF-Terroristen am 5. September 1977 tief ins Gedächtnis der Öffentlichkeit eingebrannt. Die Täter forderten die Freilassung von elf inhaftierten RAF-Mitgliedern. Die Regierung verweigerte jede Verhandlung mit den Terroristen, woraufhin diese ihre Geisel erschossen. Als Opfer hatte sich die RAF Schleyer auch wegen seiner SS-Vergangenheit ausgesucht.
Ernst Borsig, der zu den frühen finanziellen Unterstützern Hitlers gehörte, hatte seinen fatalen Irrweg immerhin noch vor der entscheidenden Wahl erkannt und eine Initiative unterstützt, die den Sieg der NSDAP verhindern wollte. Die Schrecken der NS-Herrschaft erlebte er dann nicht mehr. Er verstarb am 6. Januar 1933.