Jeder dritte Reinickendorfer engagiert sich

Tegel – Das Ehrenamtsbüro Reinickendorf hat seine Eingangstür zur Grußdorfstraße weit geöffnet. Jeder kann zu den Besuchszeiten eintreten und sich über Ehrenämter informieren. Projektleiter Ralf René Gottschalk, die Ehrenamtskoordinatorin Gabriele Brandt und der Bundesfreiwilligendienstler Adam Mostek freuen sich über Besuch.

Etwa 350 persönliche Beratungsgespräche führen sie jedes Jahr, um Menschen in für sie passende Ehrenämter zu vermitteln. Dazu komme etwa noch die gleiche Zahl an „Verweisberatungen“. Das ist die Unterstützung für Menschen, die akut Hilfe brauchen. Sei es der Mietvertrag, Fragen zur Rente, die plötzliche Pflegebedürftigkeit oder die Suche nach einer Hebamme.

Auf die Frage, wie viele Menschen in Reinickendorf in einem Ehrenamt arbeiteten, kann Gottschalk nur eine Schätzung abgeben: „Etwa jeder Dritte.“ Das wäre im Bezirk die stattliche Anzahl von 85.000 Menschen. Neben der Vermittlung von Ehrenamtlichen berät das Team aber auch die Einsatzstellen über die Rahmenbedingungen. Es verstehe sich auch als „Lobby für das bürgerschaftliche Engagement gegenüber dem Bezirk, der Verwaltung und den Einrichtungen“, sagt der Leiter Gottschalk. Er ist seit 2020 in der Grußdorfstraße 16 und verweist auch auf den zweiten Standort des Ehrenamtsbüros im Rathaus.

Als Träger im Hintergrund fungiert das Unionhilfswerk, bei dem Gottschalk früher gearbeitet hat. Mit 3000 Mitarbeitenden sei dieses Unternehmen nach eigener Auskunft einer der größten Arbeitgeber in Berlin. Über die Finanzierung seines Büros mag Gottschalk gar nicht so gern sprechen. Das hat einen einfachen Grund. Gerade sind im Berliner Abgeordnetenhaus die Beratungen über den Doppelhaushalt 2024 und 2025 angelaufen. Von dort kommen die 95.000 Euro als Senatsmittel, die er und sein Team in diesem Jahr für ihre Arbeit zur Verfügung haben. Die Diskussion um den künftigen Haushalt sei „ein laufendes Verfahren“, das er nicht kommentiere. Ob er sich denn mehr Geld für sein Büro verspreche? Vorsichtig formuliert er: „Mindestens so viel“, um dann lachend nachzuschieben: „Gern auch das Doppelte“.

Seine Koordinatorin Brandt springt ein und erzählt von den vielfältigen Aufgaben, die mehr Geld bedürften. So pflege das Ehrenamtsbüro eine Datenbank mit 135 Einrichtungen und 250 Angeboten für Ehrenamtliche. Dies alles sei einsehbar auf der Website. Die Angaben müssten ständig aktuell gehalten werden, was mit dem vorhandenen Geld nur schwer zu bewerkstelligen sei. Sie koordiniert auch ein Gremium mit sieben Engagementsberater*innen. Diese setzen sich für das Ehrenamt und die Besetzung von Aufgaben mit geeigneten Freiwilligen ein.

Auf der Website wird betont, dass „Wert auf Umgangsformen und Verhaltensweisen, die die Vielfalt und Diversität unserer Gesellschaft wertschätzen“ gelegt werde. Gottschalk erweitert im Gespräch: “Engagementförderung ist Demokratieförderung.“ Man lerne andere Menschen und Lebensweisen kennen und fördere das „solidarische Verhalten“. Das könne ebenso in der Lebensmittelausgabe wie bei der Nachbarschaftshilfe, der Begleitung von Senioren und bei der Tierpflege geübt werden.

Ein Projekt liegt dem Team besonders am Herzen. Es nennt sich AWEB und steht für „Alles Was Es Braucht – Dein Weg“. Die Broschüre ist auf Deutsch und Arabisch geschrieben. Sie wirbt dafür, Menschen mit Fluchterfahrung den Weg in das Ehrenamt zu ebnen. Das bringe sie in Kontakt mit Deutschen und den Lebensbedingungen in diesem Land. Sie können in Schulen Willkommensklassen helfen oder bei der Berliner Tafel Lebensmittel sortieren und ausgeben oder in Seniorenheimen ältere Menschen besuchen. Bei diesem Projekt arbeitet das Ehrenamtsbüro besonderes eng mit den Stadtteilzentren in Reinickendorf zusammen.bs

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.