Ein Mann mit grüner Jacke steht vor einer roten Haustür, darüber zeigt ein Schriftzug "meredo"
Benjamin Graf-Kubel – Foto: Marlen Görlitz

„KI nicht komplett verteufeln“

RAZ-Praktikantin Marlen Görlitz zu KI an der Schule

Tegel – Fassungslos starrte ich auf die Tabelle, in der sauber aufgelistet die Namen mit den dazugehörigen Prüfungsergebnissen standen. Es war die Note, für die ich die letzten zwei Monate tagtäglich stundenlang gearbeitet hatte und die Note, die über meinen mündlichen Mittleren Schulabschluss (MSA) entscheiden wird. Ich hatte eine 2, eine Note, über die ich mich im Normalfall gefreut hätte. Doch nicht in diesem Fall. Denn: Viele meiner Mitschüler hatten ihre Präsentation mit ChatGPT erstellt, der wohl bekanntesten Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI), die Fragen beantworten, Texte verfassen und bei vielfältigen Aufgaben behilflich sein kann. Für mich war sie bei Schulaufgaben nie eine Option: Ich möchte mich nicht mit „fremden Federn“ schmücken, sondern stolz sein auf etwas, was ich selbst erarbeitet habe. 

Manche Mitschüler allerdings sehen das anders: „Warum machst Du Dir so viel Arbeit? Mit ChatGPT geht es doch so viel einfacher, schneller und besser. Überprüfen kann das eh niemand wirklich.“ Auch an meiner Schule ist es schon fast üblich, dass Hausaufgaben, Referate oder eben auch die MSA-Präsentationsprüfung mithilfe dieser KI erledigt werden. Zu diesem Thema, habe ich mit Benjamin Graf-Kubel gesprochen. Er ist der Einrichtungsleiter des Medienkompetenzzentrums „meredo“ in der Namslaustraße 45/47. Es bietet medienpädagogische Projekte für Kinder, Jugendliche und Familien an. 

Was ist Ihre Wahrnehmung zum Gebrauch von ChatGPT und Co. durch Jugendliche – besonders im schulischen Bereich?

Ich finde es schwierig, KI komplett zu verteufeln. Sie ist schließlich in viele praktische Aspekte verbaut. Im schulischen Kontext halte ich es deshalb für sehr wichtig, dass sich die Lehrkräfte mit dieser Thematik mehr auseinandersetzen und die Chance darin sehen, ihren Unterricht damit zu gestalten. Aufgaben sollten so gestellt sein, dass sie nicht einfach mit einer KI erledigt werden können. Schulleitungen, aber auch Lehrer wenden sich immer mehr mit Fragen und Bedenken an uns.

Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht für Lehrkräfte denn überhaupt noch möglich, den Unterschied zwischen einer vom Schüler verfassten und einer von KI erstellten Arbeit zu erkennen?

Es gibt KI-basierte Tools, die überprüfen können, ob ein Text von einer anderen KI erstellt wurde. Ich denke aber, dass Lehrer, die ihre Schüler gut kennen, zwischen einem von Schülerhand geschriebenen und einem KI-generierten Text unterscheiden können. Je cleverer die Schüler sind, desto schwieriger wird es natürlich für die Lehrer. Schließlich lässt sich ja alles manuell noch weiter an die Aufgabe und den persönlichen Stil anpassen. Das kann man dann nicht mehr Richtung KI zurückverfolgen. 

Das „meredo“ macht sich für den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien stark. Was bieten Sie bereits an?

Wir haben zwei Konzepte entwickelt. Das eine zielt darauf ab zu verstehen, wie KI funktioniert, aber auch, wie fehleranfällig sie sein kann. Der zweite Workshop, den wir gerade konzipieren, befasst sich mehr mit ChatGPT, also mit Text-, aber auch Bild-KI. Dabei lernen die Teilnehmer, wie sie diese Technologien gut und bewusst anwenden können und welche urheber- und datenschutzrechtlichen Aspekte dabei zu beachten sind. Dass so ein Konzept nötig ist, haben wir am Feedback gemerkt. Das Thema wird immer präsenter gerade an Schulen.

Mit welchen Herausforderungen sind Eltern konfrontiert, und was raten Sie den Eltern?

Ich glaube, dass es viel damit zu tun hat, welchen Draht man zueinander hat. Eltern müssen, und das ist themenunabhängig, interessiert daran sein, was ihr Kind tut. Zum Beispiel: „Ah, ChatGPT, davon habe ich noch nicht gehört. Zeig doch mal, wie nutzt du das?“ Ohne dieses Interesse können sie keinen Einfluss auf die verantwortungsvolle Nutzung nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview Marlen Görlitz

Redaktion