RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Knüppel zwischen die Beine in Lübars

Lübars – Seit 340 Jahren bewirtschaftet die Familie von Christian Qualitz den Bauernhof in Alt-Lübars. In unmittelbarer Umgebung hat Qualitz 60 Hektar unter dem Pflug und verpflegt 45 Pensionspferde. Um besser wirtschaften zu können, hat er nach der Wende Land in Brandenburg dazu gepachtet. Den jüngst eröffneten „Bauernmarkt“ am Sonntag an der Kirche begegnet er mit Unverständnis. Er macht sich Sorgen um sein Dorf.

Ist der Markt nach Ihrem Verständnis ein „Bauernmarkt“?

Nein, ist er nicht. Weil kein Landwirt und keine Produkte von hier beteiligt sind.

Aber ich bin eben über den Markt gegangen. Gemüse aus Brandenburg wird verkauft.

Wir sind hier in Berlin und nicht in Brandenburg. Wenn er sich Bauernmarkt schimpft, muss er auch aus unserem Dorf Obst und Gemüse anbieten. Wir haben in Lübars einen Kräuterhof, der mit Behinderten arbeitet. Dort wurde gar nicht angefragt. Die bauen alle möglichen Gemüsearten in Lübars an und sind nicht einmal informiert worden.

Sind Sie vorher angesprochen worden?

Nein. Ich hätte erwartet, dass man mit den paar Bauern in Lübars, die noch Ackerbau und Viehzucht betreiben, zumindest vorher spricht. Der Begriff „Bauer“ ist nicht geschützt. So hat der Betreiber seinen Antrag gestellt und erstaunlicherweise auch die Genehmigung vom Bezirksamt Reinickendorf bekommen.

Der „Bauernmarkt“ ist mittlerweile in „Wochenmarkt“ umbenannt worden. Wie sollte ein Wochenmarkt Ihrer Meinung nach in Lübars aussehen?

Wir hätten gegen diese Form nichts einzuwenden, wenn es nur einmal im Monat wäre. Wir sind hier ein Dorf, das im Denkmalschutzbereich liegt, und die Flächen sind alle im Landschaftsschutzbereich. Wir haben hier so gut wie keine Parkplätze. Die Besucher parken fast alle im absoluten Halteverbot. Darüber hinaus fehlen Toiletten. Der Betreiber ist offensichtlich nicht verpflichtet worden, welche bereitzustellen. Die Besucher fragen bei uns, ob sie auf Toilette gehen können oder machen hinter dem Feuerwehrturm ihre Notdurft. Das sind alles Sachen, für die wir kein Verständnis haben.

Warum organisieren Sie als Landwirte in Lübars keinen eigenen Wochenmarkt?

Wir haben etwas Ähnliches vor etwa 15 Jahren probiert. Da haben wir unsere Höfe präsentiert. Das ist aber nachher eingeschlafen, weil der Aufwand zu hoch war. Wir nehmen auch an, dass der jetzige Wochenmarkt irgendwann eingehen wird. Es sind schon jetzt weniger Stände als zu Anfang.

Welche Schutzmaßnahmen gegen solche Events wünschen Sie sich?

Das ist nicht ganz richtig formuliert. Wir wünschen uns keinen Schutz, sondern wir haben dafür kein Verständnis, dass hier so ein Markt nahezu ohne Auflagen stattfindet und uns Bewohnern die Daumenschrauben angezogen werden wegen Denkmalschutz und Landschaftsschutz. Da werden uns immer mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Wie sieht Lübars in zwanzig Jahren aus?

In zwanzig Jahren wird es hier kaum noch einen Landwirt geben. Der Nachwuchs fehlt. Die Höfe haben keine Perspektive. Von den sechs jetzt noch wirtschaftenden Betrieben gibt es vielleicht noch einen, der übrig bleiben wird.

Danke für das Gespräch.

Interview Bertram Schwarz

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.