Einsamkeit im Alter ist ein Thema, das oft unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit existiert. Viele ältere Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen haben wenig bis gar keinen Kontakt zur Außenwelt. Der Besuchsdienst des evangelischen Kirchenkreises Reinickendorf versucht seit nunmehr zehn Jahren in ehrenamtlicher Arbeit, diesem Personenkreis Wärme und Nähe zu spenden.
„Das Ehrenamt lebt von den Herzen, die sich öffnen“, findet Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner. „Sie alle hier haben ihre Herzen geöffnet. Sie gehen zu den Menschen, (…) reden mit ihnen und hören zu“, sagt sie bei einer Veranstaltung im Hermann-Ehlers-Haus in Alt-Wittenau. Anfang Februar übergab sie den Ehrenamtspreis des Jahres 2024 an den Besuchsdienst.
Dieser besteht aus 20 Mitstreitern, die zwischen 24 bis 84 Jahre alt sind. Zwei Männer sind auch mit dabei … Alle besuchen in ihrer Freizeit ältere Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen. In der Regel findet das einmal pro Woche, manchmal auch zweimal statt. Die Betroffenen sind nicht selten dement oder bewegungseingeschränkt, auf Gehhilfen oder den Rollstuhl angewiesen. Sie haben ihre häusliche Umgebung verlassen müssen, leben in betreuten Domizilen wie dem Johanniter-Stift am Tegeler Hafen, der Domino-World am S-Bahnhof Tegel, im Vitanas Senioren Centrum am Schäfersee oder im Haus am Kienhorstpark. Doch welche physischen oder psychischen Einschränkungen sie auch immer haben: Bekunden sie ihren Willen für Besuche deutlich, steht denen nichts im Wege.
Das Problem der Betreuten ist oft nicht nur die gesundheitliche Situation, sondern die fehlende Aufmerksamkeit. „Viele Bewohnerinnen und Bewohner bekommen kaum Besuch, weil die Angehörigen nicht vor Ort sind oder es keine mehr gibt“, sagt Sigrid Tempel, die Koordinatorin des Besuchsdienstes. Umso wichtiger sei es, dass sich jemand um sie kümmere. Mit ihnen reden oder einfach nur zuhören lautet eine wichtige Prämisse.
Interessante Lebensläufe und kleine Wunder
Eine, die gerne reden und zuhören möchte, ist Helga Holz. Die 84-Jährige ist selbst sehr agil und mobil. Sie spielt aktiv Tennis, trifft sich regelmäßig zur Canasta-Runde. Geistig und körperlich fit bleiben, lautet ihr Motto. Bei ihren besuchten Bezugspersonen ist sie ein gern gesehener Gast. „Sie erzählen häufig über ihr bewegtes Leben“, weiß sie über die Gespräche zu berichten. „Und“, so ergänzt Helga Holz, „es sind viele interessante Lebensläufe dabei“. Sie sieht es als Herzensangelegenheit, für die Einsamen da zu sein. Man fördere und fordere die Menschen auch entsprechend ihrer Interessen. Eine besondere Freude sei es, wenn sich sichtbare Erfolge einstellten. Plötzlich gehen machen Handgriffe wieder. „Eine Bewohnerin hat mich stets bewirtet, geht mit dem Rollator los, holt Kaffee und Kuchen“. Eine andere, seit langem unbewegliche Besucherin, sei aus ihrem Rollstuhl aufgestanden, hätte überraschender Weise wieder eigene Schritte gemacht, ergänzt Sigrid Tempel.
Eine der Jüngeren im Team ist Denise Wandt. Die Reinickendorferin wollte sich unbedingt ehrenamtlich engagieren, ist dann im Internet auf den Besuchsdienst aufmerksam geworden. Sie beobachtet, dass die Bewohner noch viele Interessen haben, obwohl man es nicht immer gleich merkt. Sie würden sehr aufmerksamen fernsehen, sich für Politik interessieren und Demenzkranke spielten stundenlag Schach. Auch Denise Wandt hat inzwischen zahlreiche positive Reaktionen bekommen. „Ich war die dritte Tochter und mir werden manchmal gar Familienehren zuteil.“
Der Besuchsdienst ist in den Heimen gern gesehen, die Nachfrage groß. Größer als das Angebot. Weitere Freiwillige für den Besuchsdienst sind daher jederzeit willkommen.
Übrigens werden Kontakte auch innerhalb der Gruppe gepflegt. Einmal im Monat treffen sich alle zum Erfahrungsaustausch im Hermann-Ehlers-Tagungshaus. Es gibt zudem Fortbildungsseminare, Ausflugsfahrten ins Umland, ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier. „Es ist schön, etwas Schönes zu teilen“, sieht Sigrid Tempel auch einen positiven Gruppeneffekt.
Kontakt: Sigrid Tempel, Tel. 0176 / 39 60 89 40, s.tempel@kirchenkreis-reinickendorf.de