Märkisches Viertel – Vor dem Ribbeck-Haus steht ein Birnbaum. Natürlich. Davor ist ein Findling mit einer eingravierten Schrift, die kaum noch zu lesen ist. Mit etwas Lese- und Erinnerungsmühe klappt es dann doch: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand.“ Sandra Sapiatz, die Leiterin des im Juli 2023 eröffneten Stadtteilzentrums im Märkischen Viertel, berichtet stolz, dass der Baum in diesem Jahr auch Birnen getragen habe, die in einem Kuchen verarbeitet worden seien. Auf der Website vom Stadtteilzentrum wird der Schriftsteller Theodor Fontane mit seinem Gedicht über den alten Ribbeck in Verbindung zum „Märkischen Viertel“ gebracht. Der Dichter ist noch heute bekannt für seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“.
Geschichte des Kiezes
Bis auf die Tatsache, dass auch das Märkische Viertel in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf märkischem Sand gebaut wurde, hat diese Hochhaussiedlung mit etwa 48.000 Bewohnern wenig mit Provinz zu tun. Sie ist eine Art Überlaufgefäß der großen Stadt. In den 70er Jahren zogen Berliner und Berlinerinnen hierher, die es satt hatten, in zugigen Altbauwohnungen in der Innenstadt zu leben. Dann kamen Migrationswellen. Zunächst aus der Türkei, dann Afghanen, Syrer und jetzt Ukrainer. So erzählt es Sapiatz und setzt hinzu: „Heute haben knapp die Hälfte der Bewohner des Märkischen Viertels einen Migrationshintergrund“.
Menschen zusammenbringen
Verschiedene Generationen, verschiedene Kulturen und viele Sprachen treffen hier aufeinander. Das Stadtteilzentrum hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen zusammenzubringen und gegenseitige Nachbarschaft herzustellen. Das alles überragende Problem sei die Einsamkeit. Früher seien, so erzählt es Sapiatz, ältere Menschen einsam geworden, wenn ihre Ehepartner/innen gestorben waren. Heute leben viele nicht mehr in solch festen Partnerschaften und die Einsamkeit befällt häufig auch Jüngere. Sie findet es „super“, dass der Bezirk Reinickendorf eine oder einen Einsamkeitsbeauftragte/n sucht und will möglichst schnell nach Amtsantritt zu ihr oder ihm in Kontakt treten.
Das Ribbeck-Haus war einmal als eines der vielen Waschhäuser im Märkischen Viertel konzipiert worden. Das war zu einer Zeit, als Waschmaschinen in den Mietwohnungen noch nicht wohlgelitten waren. Heute gebe es nach Auskunft von Sapiatz noch zwei solcher Waschhäuser. Das Ribbeck-Haus sei schon vor 30 Jahren zu einem Mietertreffpunkt umgebaut worden. Das neue Stadtteilzentrum sei „noch im Aufbau“. Das aktuelle Kursangebot habe viele Veranstaltungen von dem früheren Mietertreffpunkt übernommen. Alles andere wäre „auch Quatsch gewesen“, sagt Marion Heine, die als zweite Festangestellte Sapiatz zur Seite steht. Dazu kommen zwei Kräfte, die über das bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden.
Ehrenamtliche und Ideen weiter gesucht
Ehrenamtliche helfen dabei, das umfangreiche Veranstaltungsangebot aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen. So spiele beispielsweise ein Ehrenamtlicher jeden Sonntag mit Kids, die Deutsch lernen wollen, das Rollenspiel „Dungeon & Dragons“. Finanziert werde die Arbeit des Stadtteilzentrums vom Senat und der Europäischen Gemeinschaft über das sogenannte EFRE III-Programm. Die GESOBAU, der 80 Prozent der Wohnungen im Märkischen Viertel gehören, stelle die Räumlichkeiten zu einem „subventionierten Mietpreis“ zur Verfügung. Um das Kursangebot in Richtung jüngere Interessenten zu entwickeln, werden noch Ehrenamtliche mit Ideen gesucht. So gibt es bereits ein „Reparatur Café“, in dem defekte Haushaltsgeräte bis hin zu Fahrrädern wieder in Stand gesetzt werden. Auch ein Mathekurs „laufe gerade an“, sagt Heine.
Sandra Sapiatz und Marion Heine sind voller Energie. Sie zeigen einen leeren Saal, der bis auf Mannshöhe gekachelt ist. Hier standen früher die Waschmaschinen. Zukünftig sollen nach einem Umbau Theaterstücke geübt werden und andere Veranstaltungen stattfinden. Das Thema „Einsamkeit“ lässt die beiden nicht los. Sie wissen, dass es schwierig ist, an die wirklich Einsamen heranzukommen. Sie bauen auf die „Hilfe von Ärzten, Friseuren, Fußpflegern und Apothekern“, die häufig ganz dicht an die Not von denjenigen kommen, die kaum noch soziale Kontakte haben.
Café am Birnbaum immer mittwochs
Jeden Mittwoch organisieren die beiden Frauen ein „Café am Birnbaum“ zum „Kennenlernen– Austauschen – Gemeinschaft für alle“. Im Gedicht von Fontane nimmt der alte Ribbeck eine Birne mit ins Grab, die zu einem großen Birnbaum heranwächst: „So spendet Segen noch immer die Hand, des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“. Möge auch die gelegte Saat in dem neuen Stadtteilzentrum aufgehen.
bs
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Das Kursangebot kann auf der Website www.ribbeckhaus.de abgerufen werden. Telefonisch ist das Stadtteilzentrum im Ribbeck-Haus von Montag bis Freitag von 10 Uhr bis 16 Uhr unter der Telefonnummer 030 47 064 920 zu erreichen. Die Adresse ist Senftenberger Ring 54.