Liebe Leserinnen und Leser der RAZ,
dass ein Jahr vergangen ist, stellen besonders viele von uns genau jetzt, zu seiner Neige, fest. Ein Satz aus einer längst vergangenen TV-Reklame hat dieses Gefühl einst in sehr banale, aber doch immer wieder zitierte und im Kopf geisternde Worte gegossen: „Ja, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?!“ Ich persönlich merke das Ablaufen von wieder einmal 365 Tagen daran, dass ich mich hier, mit Gedanken zu den anstehenden Festtagen, an Sie wende. Wissen Sie, was ich vor dem Schreiben mache? Ich schaue mir die Zeilen an, die ich Jahrs zuvor an Sie richtete, was ich wünschte und hoffte, und gleiche alles mit dem Jetzt ab. Im Dezember 2020 habe ich natürlich auch schon viel über die Corona-Pandemie nachgedacht, fasste Schwierigkeiten und Sorgen zusammen, hob aber vor allem das Gute hervor: findige Ideen und Innovationen, Hilfs- und Verzichtbereitschaft zugunsten anderer, Nächstenliebe – ohne einander oftmals tatsächlich örtlich nah zu sein. Aber, ganz ehrlich gesagt, hatte ich nicht damit gerechnet, dass das Virus unser Reinickendorf auch ein Jahr später noch so fest im Griff haben würde. Allein wenn ich daran denke, was in unseren Krankenhäusern abläuft, wo Menschen um ihr eigenes Leben oder das anderer kämpfen, wo ein Teil der Behandelten herausgehen wird, ohne wirklich von längerfristigen Covid-Folgen geheilt zu sein. Wo Patientinnen und Patienten einsam leiden, weil Besuch nicht gestattet ist. Wo Schicksale entschieden werden, wer zu Weihnachten diesmal zusammenkommen kann und wer nicht – oder nie mehr. Das alles stimmt mich unendlich traurig, und so fällt es mir ehrlicherweise nicht leicht, Ihnen etwas Ermutigendes mitzugeben.
Doch gleichwohl hat 2021 auch Mut gemacht: So viele Menschen sah ich, die ihr Möglichstes dafür taten, dass die Hoffnung eine Chance bekommt. Sie hielten Abstand und sich zurück, kümmerten sich bestmöglich um Hygienekonzepte, kämpften als Corona-Heldinnen und -Helden an vorderster Front weiter … und vor allem: Sie krempelten die Ärmel für die berühmten Piekser hoch. Und wer in der Warteschlange eines großen Impfzentrums wie Tegel stand, konnte den Mut sogar fühlen: Mut etwas tun und ändern zu wollen für sich und für andere! Es tat so gut zu spüren, dass Vernunft und vor allem Mitgefühl im wirklichen Leben in der ganz großen Mehrheit sind. Falsche Besserwisser, Leugner, Trolle sind mitunter vielleicht laut, aber nicht mehr. Ich kann sagen, allein diese Beobachtung hat mir Zuversicht gegeben. Übrigens nicht nur für die Pandemielage, sondern auch ganz allgemein. Offenbar haben die meisten Menschen um mich herum ein Herz, und ihr Herzschlag ist es, der unser Reinickendorf belebt und stark macht.
Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung der RAZ, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Tomislav Bucec
Herausgeber
