Tegel – Geknallt hat es viel auf dem bald ehemaligen Flughafengelände in Tegel. Besonders laut rumste es am 16. Dezember 1948. Mitten während der Berlin-Blockade bauten die West-Alliierten einen neuen Flughafen in Tegel, um das von den Sowjets abgeschnürte West-Berlin zuverlässig aus der Luft versorgen zu können. Dabei stand ihnen der Sendeturm und der Notsendemast des Ost-Berliner Rundfunks im Weg. Frühmorgens wurden die Postbeamten von französischen Soldaten nach Hause geschickt, um 10.45 Uhr wurde dann gesprengt. Der sowjetische Stadtkommandant soll den französischen General danach aufgebracht gefragt haben: „Wie konnten Sie das tun?“ Die Antwort des Franzosen: „Mit Dynamit, Herr Kollege.“
Aber auch schon vorher war es laut auf dem Gelände. Wie Klaus Schlickeiser in seiner in diesem Jahr erschienenen Chronik des Bezirks Berlin-Reinickendorf ausführlich beschreibt, wurde 1828 vom preußischen Militär ein neuer Schießplatz gegen den Widerstand der Forstverwaltung in der Jungfernheide angelegt. Dieser wurde in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich erweitert, so dass er schließlich eine Größe von 3,3 km Länge und 1,3 km Breite einnahm. Das war ziemlich genau auf dem Gebiet des späteren Flughafens. Doch vorher sollte noch einiges mehr hier passieren.
Die Stadt vergrößerte sich und es wurde immer gefährlicher, in unmittelbarer Nähe von menschlichen Siedlungen mit riesigen Kanonen zu schießen. 1909 wurden die Schießübungen eingestellt. Schon vorher hatte die Luftschiffer-Abteilung begonnen, sich des Geländes anzunehmen. Richtig feierlich wurde es, als im Sommer 1909 der Kaiser das Luftschiff LZ 6 von Graf Zeppelin begrüßte. Während des Ersten Weltkrieges wurden Fesselballonfahrer mit ihren Militärbeobachtern in Tegel ausgebildet.
In der Nachfolge der Luftschiffe kamen die Raketen. Der „Raketenflugplatz Berlin“ eröffnete 1930 als Verein. Es stieß auch der Student Wernher von Braun zu dieser abenteuerlichen Truppe von Forschern. In einem Flugblatt warb der „Verein für Raumschiffahrt“ um Spenden in der Bevölkerung: „Deutschland wird durch die Lösung des Raketenproblems mindestens in wirtschaftlicher und kultureller Beziehung derartige Vorteile erlangen, daß mit einem Schlage seine frühere Weltgeltung wieder hergestellt wird.“ Das Abenteuer fand 1934 ein Ende. Wernher von Braun konstruierte später die Mondrakete für die NASA. All das hatte seinen Anfang in Tegel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es mit der Luftfahrt erst so richtig los. Der in Windeseile gebaute Flughafen Tegel war neben Tempelhof und Gatow einer der drei Stätten, die den Erhalt von West-Berlin während der Blockade ermöglichte. Bis 1960 wurde der Flughafen Tegel hauptsächlich militärisch genutzt. In diesem Jahr öffnete der Zivilflughafen offiziell. Im ersten Jahr sollen dort 180.000 Fluggäste gezählt worden sein. Eine große Attraktion war das Düsenflugzeug „Caravelle“, das in Tempelhof nicht landen konnte.
Für die Mauerstadt genügte der Flughafen am nördlichen Rand des späteren Airports nicht mehr. Ein größerer musste her. Seit 1966 wurde geplant und 1974 konnte er in Betrieb genommen werden. Ironie der Geschichte: Die alten Gebäude vom französischen Militär werden als Regierungsflughafen den neuen Flughafen von 1974 überdauern. Bis voraussichtlich 2029 wird die Bundesregierung dort mit Hubschraubern landen und starten. Der neue Flughafen tat von 1974 bis 2020 seine Dienste. Der letzte Jet wird ein Air France-Flug nach Paris am 8. November sein. Eine Verbeugung vor der ehemaligen Schutzmacht Frankreich.
Der Flughafen Tegel war ursprünglich für 2,5 Millionen Fluggäste geplant worden. 2019 war es ungefähr das 10-fache an Fluggästen. Der Flughafen ächzte unter der Last der ständigen Verschiebungen des BER -Starts. Es wurden noch hier und da Erweiterungen angeflickt, die das nunmehr denkmalgeschützte Kern-Ensemble nicht verschönerten.
Aber jetzt ist es vorbei. Ruhe kehrt ein – bis die Baumaschinen im nächsten Frühjahr kommen und das geschichtsträchtige Gelände umbauen werden. Es soll fit gemacht werden für eine Zukunft mit Startups, Hochschule, modernen Wohnungen und Erholungsgebiet. Ein junges Unternehmen, das sich mit Drohnen beschäftigt, hatte auf der letzten Standortkonferenz angekündigt, möglichst bald nach der Schließung des Flughafens nach Tegel zu ziehen. Schön wär’s, so könnte die Tradition der Fliegerei in Tegel ein bisschen fortgesetzt werden.bs
Der Abschied ist eingeläutet Foto: bod