Bezirk – Überall in Reinickendorf gibt es Buchstaben. Sie kleben auf Straßenschildern und an Hauswänden, machen es sich auf Zeitungsseiten bequem und finden sich in Speisekarten. Zusammengesetzt zu Millionen, warten sie in Romanen und Geschichten nur darauf, von Bücherwürmern und Leseratten verschlungen zu werden. Literarische Werke, die in fernen Ländern und an fremden Orten spielen, die junge und alte Leserinnen und Leser eintauchen lassen ins All oder zum Erdmittelpunkt, in Träume oder Alpträume. So ist Reinickendorf plötzlich die ganze Welt – und noch so viel mehr.
In der Buchhandlung am Schäfersee gibt es Romane und Geschichten, Krimis, Kinderbücher und Ratgeber – und das seit 1947. „In der Nachkriegszeit hat alles begonnen, quasi aus den Trümmern heraus“, erklärt Inhaberin Tanja Bethke. Damals sei sie als pädagogische Fachbuchhandlung unter dem Namen „Buchhandlung Paetz“ eröffnet worden. Und die Geschichten, wie die Schulbücher per Schubkarre ausgeliefert und die Regale aus alten Fußbodendielen gefertigt wurden, kennt die Inhaberin auch. Die Dielen-Regale existieren heute noch – ebenso wie die Buchhandlung, die Jahrzehnte überdauert hat und sich heute immer noch an ihrem Standort in der Markstraße 6 befindet. „Sie ist immer noch an ihrem Ort, hat sich jedoch in ihrem Repertoire verändert und erweitert“, sagt Bethke. In den 1980er Jahren hat sich das Geschäft dann unter den neuen Inhabern und dem entsprechenden neuen Namen „Buchhandlung Hollmann GmbH“ weiterentwickelt zu einer Fachbuchhandlung für Industriekunden, Schulen und Senatsstellen mit einem neuen allgemeinen Sortiment für die Privatkunden vor Ort.
Kiezbuchhandlung mit Stammkundschaft
Dieses liebevoll gepflegte allgemeine Sortiment ist seitdem unter dem Namen „Buchhandlung am Schäfersee“ bekannt und hat sich als Kiezbuchhandlung mit viel Stammkundschaft etabliert, das vor allem die vielen Kinderbücher und die sehr gepflegte Krimiabteilung zu schätzen weiß.
„Unsere Kunden sind sehr gemischt, was das Alter, die Herkunft und den sozialen Hintergrund angeht“, sagt die Buchhändlerin, die ein Team von vier bis fünf Personen um sich hat. Bethke selbst ist übrigens seit 2001 in der Buchhandlung tätig – erst hat sie in der Buchhandlung Hollmann ihre Buchhändler-Ausbildung gemacht und dann 2013 die Buchhandlung am Schäfersee übernommen. Die enge Zusammenarbeit mit der Fachbuchhandlung Hollmann kommt sowohl den Kunden als auch dem Team zugute. „Ich habe dieses Jahr auch meinen Ausbilderschein gemacht, was unseren Azubis und Praktikanten natürlich zugute kommt“, fügt sie hinzu.
Zu Corona-Zeiten war das Geschäft geöffnet, doch für die Kundinnen und Kunden, die ihr Zuhause nicht verlassen wollten, wurde spontan ein Fahrrad-Lieferdienst eingerichtet – quasi von Tür zu Tür. Außerdem wurde eine Klingel außen am Geschäft angebracht. „Durch die Stufen im Eingang ist unsere Buchhandlung leider nicht behindertengerecht. Leute im Rollstuhl oder Eltern mit Kinderwagen können nun klingeln, und wir kommen heraus“, sagt Bethke.
Während das Geschäft während der Pandemie weiter geöffnet blieb, mussten sämtliche Veranstaltungen und Lesungen in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement vor Ort ausfallen. „Wir hatten jedoch das Glück, für die Veranstaltungsreihe „Lettekiez liest“ den M5-Stiftungsraum in der Markstraße 5 zu nutzen“, sagt sie. Er sei zwar nicht so gemütlich, so ohne Schnittchen, Getränke und anschließendem Plausch, aber dafür konnten die Lesungen stattfinden.
fle