Einsamkeit geht uns alle an!

Die Reinickendorfer CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner macht sich stark für einen Einsamkeitsbeauftragten.

Sie haben vor einem Jahr einen „Einsamkeitsgipfel“ abgehalten; mit welchem Ziel?

Wir wollten zusammentragen, welche Rolle Einsamkeit in Medizin, Forschung und gesellschaftlichen Praxis spielt. Jetzt können wir mit Experten darauf aufbauen und den begonnenen Weg gegen alle Ignoranz weiter fortzusetzen.

Wo konnten sich Maßnahmen umsetzen lassen?

Einsamkeit ist kein Problem, das man auf Knopfdruck löst. Deshalb haben wir einen Einsamkeitsbeauftragten gefordert.

Was wäre denn seine/ihre Aufgabe?

Er soll Konzepte zur Abwendung von Einsamkeit zusammenfassen, daraus Maßnahmen entwickeln und deren Umsetzung initiieren. Dabei Verwaltungshandeln und Projektarbeit zusammenführen, Vernetzungsarbeit leisten, eine Infodatenbank aufbauen, Öffentlichkeitsarbeit betreiben und Forschungsaufträge anregen …

Wer ist besonders gefährdet?

Alle, insbesondere diejenigen, die soziale Beziehungen verlieren. Dazu gehören Junge wie Alte. Als Risikofaktoren gelten Armut, niedrige Bildung, Arbeitslosigkeit, Partnerlosigkeit, geringe soziale Integration, schlechte körperliche wie mentale Gesundheit bis hin zur genetischen Disposition.

Gibt es Anzeichen im Vorfeld?

Rückzug aus dem Freundeskreis, zunehmende Sprachlosigkeit, depressive Stimmungen. Mitunter fühlen sich auch Menschen einsam, denen man es nicht ansieht, weil sie ihre zunehmende soziale Desintegration hinter einem Lächeln verbergen.

Welchen Einfluss hat Corona?

Abstandsregelungen und Besuchsverbote haben zu zusätzlicher Isolation mit hohem Leidensdruck geführt. Auch Kultur-Zwangspausen haben in kürzester Zeit viele Menschen aus ihren gewohnten Kontakten zu Freunden und Arbeitskollegen geworfen.

Wie sieht die Situation in Reinickendorf aus?

Dazu können leider keine konkreten Aussagen getroffen werden, da der Senat keine Daten hinsichtlich der Einsamkeitsquote im Land Berlin sowie in den Bezirken erhebt. Das zeigt, wie wichtig ein Einsamkeitsbeauftragter ist, um eine Analyse als Grundlage für realen Hilfebedarf zu erstellen.

Derweil Selbsthilfe und Hilfe wie und wo?

Obwohl wir in Berlin eine vielfältige und umfangreiche Selbsthilfe – und Hilfelandschaft haben, brauchen wir viel mehr Begegnungsmöglichkeiten, Besuchsdienste und seelsorgerische Gespräche. Aber auch „technische“ Anleitung, wie man aus seiner Stube heraus in Kontakt mit anderen treten kann, ist hilfreich. Das hat mir die digitale Sprechstunde in meinem Wahlkreisbüro gezeigt. Allgemein gilt: Einsamkeit geht uns alle an. Also kümmert euch um eure alten Familienmitglieder, geht auf Nachbarn zu, schaut hin, wo Not an der Frau/am Mann ist, lernt euch kennen. Menschen, die man kennt, übersieht man in der Regel nicht. Zwar werden nicht alle Hilfe annehmen, aber viele warten auf ein verständnisvolles Wort. Lasst es uns gemeinsam versuchen!

Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg und danken für das Gespräch.

Interview Harald Dudel

Lesen Sie zum Thema auch den Titel-Beitrag aus der aktuellen RAZ: Stoppt die Pandemie der Einsamkeit!

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.