RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Drei Menschen bei einer Demonstration. Die Umgebung ist dunkel.
Familie Wollmann soll 1.775 Euro Betriebskosten nachzahlen, Foto: fle

Moralischer Beistand aus dem Rathaus

Dringlichkeitsantrag für die Unterstützung der Gewobag-Mieter in der BVV einstimmig beschlossen

Tegel – „Mit großer Betroffenheit habe ich die Situation der Mieterinnen und Mieter wahrgenommen.“ So begann Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) am 10. Januar ihre Antwort in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf die Anfragen von Gewobag-Anwohnern zu den hohen Betriebskosten-Nachforderungen in Tegel-Süd. „Die Gewobag hat eine besondere Verantwortung für ihre Mieterinnen und Mieter und sollte den Betroffenen entgegenkommen.“ Doch habe das Bezirksamt wenig Einflussmöglichkeiten auf die städtische Wohnungsbaugesellschaft. Es sei jedoch ein Treffen mit dem zuständigen Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz, Stephan Machulik, vorgesehen, der im Aufsichtsrat der Gewobag sitzt. 

Rückblick: Kurz vor dem Jahreswechsel erhielten die Mieter unter anderem in der Namslaustraße ihre Betriebskostenabrechnung. Diese waren verbunden mit sehr hohen Nachzahlungsforderungen, die selbst unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung für die Mieter nicht nachvollziehbar sind – insbesondere, weil die meisten von ihnen die monatlichen Vorauszahlungen bereits angepasst hatten (wir berichteten). 

Schnell organisierte sich in Tegel-Süd eine Gruppe betroffener Mieter, die sich auch in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen konnte. Viele Mieter haben sich auch beim Tegeler Bezirksverordneten Felix Schönebeck (CDU) gemeldet. Von den 137 Betroffenen, die Schönebeck angesprochen hatten, sollen knapp ein Viertel, nämlich 23 Prozent, bis zu 1.000 Euro mehr zahlen. Nachzahlungen zwischen 1.000 und 2.000 Euro komme auf 55 Prozent, also mehr als die Hälfte, zu. Zu dieser Gruppe gehört auch Karla Wollmann, die mit ihrem Mann seit 26 Jahren in ihrer Wohnung wohnt und nun 1.775 Euro nachzahlen soll.

Knapp ein Fünftel der betroffenen Mieter soll zwischen 2.000 und 3.000 Euro nachzahlen. Vereinzelt gibt es auch Nachzahlungsforderungen über 3.000 Euro, unter anderem für Tatjana Hilbig. Sie soll rund 3.200 Euro berappen. Die höchste bislang bekannte Nachzahlung beläuft sich auf rund 7.000 Euro.

Nachfrage bei der Gewobag: „Niemand wird aufgrund von hohen Nachzahlungsforderungen seine Wohnung verlieren“, sagte Anne Noske, Leiterin Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin der Gewobag und bietet den betroffenen Mietern an, mit den Kundenberatern vor Ort zu sprechen. Zwei Wochen lang wären diese im Quartierbüro in Tegel vor Ort. 

„Wir bieten Ratenzahlung und bei Bedarf auch Stundungen an. Außerdem weisen wir in den Gesprächen auf die diversen Hilfsangebote des Landes und Bundes oder auch die – einmalige – komplette oder anteilige Zahlungsübernahme des JobCenters hin. Letztere kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn grundsätzlich keine Leistungen von einem Amt bezogen werden“, sagt Noske. 

Weiter sagt sie: „Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass die Preise für Heizenergie seit 2022 bekanntermaßen erheblich gestiegen sind. Auf diese Entwicklung haben wir als Vermieterin keinen Einfluss. Grundsätzlich erhalten wir durch unsere Rahmenverträge günstigere Gaspreise am Markt als für Einzelverträge. Da diese Preisentwicklung im Laufe des Jahres 2022 absehbar war, haben wir unsere MieterInnen durch eine umfangreiche Informationskampagne seit Juni 2022 aufgeklärt und empfohlen, die Betriebskostenvorauszahlungen frühzeitiger zu erhöhen, als bei der regulären Anpassung im Rahmen der jährlichen Betriebskostenabrechnung. Vermieterseitig ist eine Erhöhung der Vorauszahlung gesetzlich reglementiert und nur im Rahmen der Betriebskostenabrechnung möglich. Diese muss dem Abrechnungsergebnis angemessen sein.“ 

In der BVV am 10. Januar wurde der Dringlichkeitsantrag, die Gewobag-Mieter zu unterstützen, einstimmig angenommen.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.