„Er ist großzügig aufgefasst und monumental in der Wirkung, wie es sich für ein Turmhaus gehört“, urteilte das renommierte Fachblatt „Die Deutsche Bauzeitung“ 1925 über das neue Bürogebäude auf dem Borsig-Werksgelände im Jahr der Eröffnung. Baubeginn war im September 1922, doch durch „schwierige Materialbeschaffung, ungünstige Witterung, Streiks usw.“ verzögerte sich die Fertigstellung bis zum Frühjahr 1924. Es war das erste Hochhaus der Stadt.
Architekt Eugen Schmohl: Ein Meister seines Fachs
Der Entwurf stammte von dem 1880 in Ludwigsburg geborenen Architekten Eugen Gustav Schmohl, der gerade zum Professor an der Technischen Hochschule Berlin berufen wurde. Studiert hatte er Architektur in Stuttgart, bevor es ihn in die boomende Hauptstadt zog. Dort war er zunächst beim Architekturbüro Hart und Lesser beschäftigt, das unter anderem die S-Bahnhöfe Mexikoplatz und Frohnau entwarf. Schmohl machte sich bald darauf selbständig; für Ernst von Borsig jr. zeichnete er 1908 Pläne für die große Villa auf Reiherwerder, die sich nach dem Willen des Unternehmers am Schloss Sanssouci orientieren sollte. Offenbar war Borsig so zufrieden mit dem Ergebnis, dass er Schmohl über ein Jahrzehnt später mit dem Bau eines Bürogebäudes auf dem Werksgelände beauftragte, der als Erweiterung des vorhandenen Betriebsverwaltungsgebäudes bestimmt war.
Das erste Hochhaus Berlins
Aufgrund des knappen Baugrunds sollte es hoch hinaus gehen: 65 Meter ragt der Turm in den Himmel mit einer Fläche von 16 mal 20 Metern. Er besteht aus insgesamt 12 Geschossen – „und zwar dem Keller, 10 Bürogeschossen und als Bekrönung einem Saal für Vortragszwecke.“
Lob von der Fachwelt
Die Kritik der „Deutschen Bauzeitung“ fiel durchweg positiv aus: „Wenn man die verhältnismäßig geringe Zahl der bis heute entstandenen Hochhausbauten durchgeht, wird man den Borsigturm in Tegel zu den bemerkenswertesten und bestgelungenen Arbeiten dieser Art rechnen dürfen.“ Neben der Haupttreppe war eine zweite als Fluchtweg vorgesehen und ein Paternosteraufzug erleichterte den Angestellten den Weg zu den Büros, „der nur bis zum 9. Obergeschoß, dem letzten vor dem Saal, durchläuft, weil dessen Reichweite damit erschöpft ist“. Weil der Wasserdruck nur bis zum fünften Stockwerk ausreichte, wurde im Keller eine Hydrophoranlage installiert, die mithilfe von Druckspeichern, sogenannten Windkesseln, arbeitete. Zum Heizen verwendete man „Abdampf aus der Werkszentrale“.
Schmohl: Ein Architekt mit bleibendem Vermächtnis
Herausgeber der Fachzeitung, die den Turm derart lobte, war damals übrigens Erich Blunck, von dem die kleinere Villa auf Reiherwerder stammt, die bereits einige Jahre vor dem großen Borsig-Familiensitz fertiggestellt worden war. Schmohl wurde 1926 wenige Monate vor seinem Tod mit nur 45 Jahren zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste gewählt. An den Baumeister erinnert eine Gedenktafel am Ullsteinhaus in Tempelhof – „seiner größten Arbeit, deren Vollendung er nicht mehr erleben sollte“.