Wittenau – Anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2025 mahnte der Teilhabebeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wilfried Oellers: „Die Erinnerung an die Stigmatisierung von Behinderten als ‚lebensunwert‘, die Zwangssterilisationen und die systematische Massenermordung darf niemals verblassen.“
Bundestag beschließt intensivere Aufarbeitung
Im Bundestag brachte die Fraktion von SPD, Union, Grünen und FDP einen Antrag zur intensiveren Aufarbeitung von NS-Euthanasie und Zwangssterilisationen ein, der am 29. Januar einstimmig angenommen wurde. Die Bezeichnung „Euthanasie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“, wird darin erläutert: „Vom ideologischen Gehalt des Begriffs distanziert sich der Deutsche Bundestag ausdrücklich.“
„Schätzungsweise 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen“ seien ermordet worden. Einen Schwerpunkt des Antrags bildet die Bündelung von Patientenakten und Personalunterlagen zum Zweck wissenschaftlicher Aufarbeitung. Zudem sollen genügend finanzielle Mittel für Gedenkstätten zur Verfügung gestellt werden.
Die Verbrechen in der Karl-Bonhoeffer-Klinik
Auch in der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Klinik wurden Menschen „aussortiert“, denen ihr Recht auf Leben abgesprochen wurde. Nach dem langen Schweigen in der Nachkriegszeit hatte es sich die Klinik erst vier Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur zur Aufgabe gemacht, die eigene Verstrickung in den von Medizinern legitimierten Massenmord aufzuarbeiten. Die 1988 eröffnete Dauerausstellung „totgeschwiegen“ war die erste zu diesem Thema in der Bundesrepublik. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Perspektive der Patienten. Sie entstand unter Mitarbeit des bekannten Autoren und Historikers Götz Aly, dessen Bücher sich vor allem mit den Verbrechen der Nationalsozialisten beschäftigen.
Ein Arzt im Dienst der NS-Ideologie
1933 hatte Gustav Waetzold die Leitung der Klinik übernommen – damals Wittenauer Heilstätten. Der Arzt passte sich den Leitlinien der NS-Ideologie an; 1936 kam die von ihm mitverfasste Schrift „Aufartung durch Ausmerzung“ heraus, die den Untertitel „Sterilisation und Kastration im Kampf gegen Erbkrankheiten und Verbrechen“ trug. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs starb ein Drittel der 15.000 Patienten während des Klinikaufenthalts, was auch einer gezielten Unterernährung der arbeitsunfähigen Insassen geschuldet war.
Missbrauch und Experimente an Kindern
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In der angegliederten Städtischen Nervenklinik für Kinder und Jugendliche Wiesengrund wurden in der „Kinderfachabteilung“ 175 Insassen für medizinische Experimente missbraucht, von denen 81 ums Leben kamen. An die Opfer erinnert noch heute eine Gedenktafel am Eichborndamm 238.
Ausstellung „totgeschwiegen“ erinnert an die Opfer
Die Ausstellung „totgeschwiegen“ wurde für die Wiedereröffnung 2009 neu konzipiert. Damals versicherte Vivantes-Chef Joachim Bovelet: „Die Vivantes GmbH als Rechtsnachfolger der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik sieht sich in der Verantwortung, die NS-Geschichte der Klinik nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und die historischen Zeugnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ Die Ausstellung steht Interessierten montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und sonntags von 10 bis 16.30 Uhr offen.