Bezirk – Mitte Juli gab es eine Menge lange Gesichter – beim Landessportbund Berlin (LSB), beim Bezirkssportbund Reinickendorf und bei vielen Reinickendorfern (BSB), die sich auf einen entspannten und vor allem sportlichen 20. Juli eingestellt hatten. An jenem Sonntag nämlich sollte auf der Sportanlage an der Göschenstraße in Wittenau das große „Familiensportfest im Kiez“ stattfinden. Doch sechs Tage zuvor sagte das Bezirksamt die Veranstaltung ab.
Als Grund wurden die Ende Juni entstandenen Schäden durch das Sturmtief „Ziros“ angeführt. „…im Rahmen unserer Verkehrssicherungspflicht können wir dem Familienfest leider nicht zustimmen, um jegliche potenzielle Risiken auszuschließen“, teilte die Beziksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner am 14. Juli in einer Mail an LSB-Direktor Friedhard Teuffel mit. Seltsam nur, dass in allen anderen Bezirken das Fest stattfinden konnte.
„Reinickendorf war und ist mit rund 2.500 Schadensmeldungen in besonderem Maße betroffen“, teilt dazu auf RAZ-Anfrage das Bezirksamt mit. „Nicht nur die Sportplätze, sondern auch Zugänge zu Schulen, ganze Schulhöfe, Friedhöfe und alle öffentlichen Grünanlagen verfügen über einen teilweise erheblichen Baumbestand, der geprüft und bearbeitet werden musste/muss. Die Herstellung der Verkehrssicherheit an den Schulen und damit die Sicherstellung des Schulunterrichts hatte oberste Priorität.“
LSB und BSB hatten indes gebeten, „die Möglichkeit zu erwägen, um über Baumdienste, das THW und mit der tatkräftigen Hilfe der Sportvereine den Eingangsbereich der Sportanlage Göschenplatz von gefährdenden Sturmschäden zu befreien. Das wurde nicht einmal mit uns diskutiert“, teilte der BSB mit. Das Bezirksamt sei nicht in der Lage gewesen, „frühzeitig im Vorfeld Möglichkeiten einer Problemlösung gemeinsam mit dem LSB Berlin und dem Bezirkssportbund zu erörtern, sondern hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Dazu sagt die Bezirksstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU), in Vertretung des eigentlich zuständigen Sportstadtrates Harald Muschner: „An vielen Bäumen sind nicht nur Äste, sondern auch Baumkronen herausgebrochen. Für die Prüfung der Baumkronen sind spezielle Hebebühnen mit über 20 Metern Höhe erforderlich. Das Angebot tatkräftiger Unterstützung aus den Sportvereinen ist ein schönes Zeichen des Zusammenhalts und wird sehr geschätzt. Bei dieser spezialisierten Aufgabe ist Fachkunde jedoch zwingend notwendig.“
Das Procedere hat jedenfalls zu Verstimmung auch bei Oppositionspolitikern im Bezirk geführt. David Jahn, FDP-Vorsitzender in der BVV Reinickendorf, etwa kritisierte auch im Zusammenhang mit dem verschobenen Tegeler Hafenfest das Krisenmanagement der Bürgermeisterin. „Und auf dem Göschenplatz konnte wochenlang Training stattfinden, dann aber muss das Familienfest des Landessportbundes abgesagt werden“, sagt Jahn.
Die Grünen setzen noch einen drauf: „Anscheinend war es nicht möglich, eine Ausweichfläche im Bezirk zu finden – obgleich nach dem Sturmtief im Sportpark der Füchse Berlin in der Kopenhagener Straße erst am 5. und 6. Juli ein zweitägiges Kinder- und Sportfest stattfand. Auch die Sportlerehrung am 11. Juli auf dem Sportplatz Uranusweg fand mit Partyzelten und einer kleinen Festmeile für die 599 geladenen Reinickendorfer Sportler*innen aus 28 Vereinen statt.“ Übrigens mit Emine Demirbüken-Wegner und Sportsstadtrat Harald Muschner, die die Ehrungen vornahmen (siehe Artikel auf Seite 9). Dazu noch einmal Schrod-Thiel: „Lediglich ein Standort wäre aufgrund von weniger Baumbestand auf dem Gelände infrage gekommen. Hier war aber bereits eine andere Veranstaltung angemeldet und genehmigt. Nachdem am Montagvormittag, 14. Juli, die verbindliche Auskunft des Straßen- und Grünflächenamts vorlag, dass keine Sportanlage bis zum Veranstaltungstag am 20. Juli bearbeitet werden kann, war auch die Prüfung von Ersatzstandorten nicht mehr zielführend.“
Andrea Behnke, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für Jugendhilfe, Sport, Wirtschaft und Tourismus, kritisiert: „Vereinssport findet statt, aber das Familiensportfest auf der gleichen Fläche wurde kurzfristig abgesagt. Auch im Ausschuss konnte Bezirksstadtrat Muschner diesen Widerspruch nicht aufräumen und plausibel begründen.“ Da scheint noch einiges aufzuarbeiten zu sein.