Reinickendorf – „Deine Quasselbank bin doch ich“ – so ein schnoddriger Dialogfetzen zwischen Mutter und Tochter vor dem städtischen Friedhof Eingang Brusebergstraße auf meine Frage zum Thema Quasselbank. Einen Friedhof weiter Richtung Humboldtstraße sieht es schon ganz anders aus.
Auf dem St. Sebastian-Kirchhof ist nämlich mit der neuen „Quasselbank“ ein Ort des Trostes und der Mitmenschlichkeit entstanden – ergänzt durch katholische Seelsorge jeden Donnerstag-Nachmittag, die allen Einsamen, Trauernden und Friedhofs-Mitarbeitern Zeit sowie ein offenes Herz schenkt. Die RAZ hat vor Ort mit Seelsorgerin Luzia Hömberg gesprochen und wollte von ihr erfahren:
Was macht ein erfolgreiches Seelsorge-Gespräch aus?
„Ein Gespräch kann kurz sein und über das Wetter oder ‚Müssen Sie viel zum Gießen kommen?‘ nicht hinausgehen. Manchmal erzählt jemand mir aber seine Lebensgeschichte mit dem Verstorbenen und wie groß die Sehnsucht nach diesem Menschen ist. Erfolgreich bedeutet für mich, wenn ich wahrnehme, dass jemand sich positiv angesprochen und gesehen fühlt. Es kommt darauf an, offen und zugewandt zuzuhören, sowie versuchen zu sehen, was dem Menschen mir gegenüber gut tun könnte und einen Raum zu eröffnen, in dem vertrauensvoll Gefühle und Gedanken ausgesprochen werden können.“
Wollen Trauernde überhaupt den Rede-Kontakt?
„Trauernde ziehen sich oft erst zurück und fühlen sich verlassen. Es fehlt ihnen ja auch wirklich jemand. Manchmal ziehen sich aber auch die anderen zurück, weil niemand das ‚schwere Trauer-Thema‘ ansprechen will – aus vermeintlicher Rücksicht oder Angst, etwas Falsches zu sagen. Das verstärkt die Einsamkeit noch. Einige möchten reden; es entstehen ja auch neue Bekanntschaften an benachbarten Grabstellen. Es gibt aber auch Trauernde, die ganz für sich am Grab in der Stille verharren wollen.“
Auf jeden Fall grüßt die Seelsorgerin alle Menschen, die ihr an den Grabstellen begegnen. Manchmal ergibt sich ein langes Gespräch, manche Menschen sprechen sie auch von sich aus an. Vor Weihnachten hat sie einmal einen Adventsgruß mit Tee und Kerze verteilt, das hat schöne Gesprächs-Gelegenheiten ergeben.
Was haben Friedhofsgänger für Bedürfnisse?
„Sie wollen den Kontakt mit Ihren Verstorbenen halten, zum Grab gehen und es pflegen. Die Erinnerungen sind ja nicht immer nur traurig, aber sie sollen lebendig bleiben. Manche freuen sich dann, dass der Friedhof nicht nur ein schweigsamer Ort ist.“
Erste Rückmeldungen zur Bank?
„Positiv, aber noch nicht viele. Wir hatten an den Gesprächstagen viel Starkregen und hoffen auf besseres Wetter.“
Zu guter Letzt: Was sollten wir „Normalbürger“ berücksichtigen, wenn wir mit Trauernden zu tun haben?
„In Kontakt bleiben, einfach mal vorbeigehen und fragen wie es geht. Oder praktische Hilfe anbieten: Mal ein Essen kochen oder einen Kuchen backen, einen gemeinsamen Spaziergang anbieten, sich gemeinsam über die Erinnerungen an den Verstorbenen unterhalten und Tränen aushalten. Vor allem keine Ratschläge erteilen à la ,Die Zeit heilt alle Wunden‘.“
Der katholische St. Sebastian-Friedhof befindet sich im Ortsteil Reinickendorf. Der Haupteingang liegt an der Humboldtstraße 68-73. Die Seelsorgerin kommt – sofern das Wetter es zulässt – jeden Donnerstag zwischen 13 und 16 Uhr zum Gespräch.