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ein Mann setzt Stolpersteine in den Gehweg ein, ein Mädchen schaut zu
Die dreijährige Midori beobachtet ganz genau, wie Ulrich Duske die Stolpersteine verlegt. Foto: fle

An Menschen erinnern, die überlebt haben

Vier Stolpersteine für Familie Fainberg, die in der Schlieperstraße gewohnt haben – ihnen gelang die Flucht

Sie wurden entrechtet und verfolgt. Ihre deutsche Staatsbürgerschaft wurde aberkannt, und sie erhielten ein Aufenthaltsverbot für Deutschland. Dabei war Tegel ihre Heimat, die Wohnung in der Schlieperstraße 40/41 ihr Zuhause – das Zuhause der jüdischen Familie  Rebecca und Joseph Fainberg mit den Kindern Benjamin und Alexander. Ihnen gelang am 22. Juni 1941 die Flucht aus Deutschland nach Frankreich und später in die USA. 

Und so konnten ihre Nachfahren am 20. September dabei sein, als zum Gedenken an die Familie vier Stolpersteine vor ihren ehemaligen Wohnhaus verlegt wurden: „Ich bin sehr bewegt, dass wir hier sind und das miterleben können“, sagte der 81-jährige Tony, der Sohn von Benjamin Fainberg, der mit seiner Frau Diane aus den USA anreiste. Mit dabei waren auch seine Schwestern Diana und Denise und weitere zwei Generationen der Familie. „Unsere Jüngste in der Familie ist die dreijährige Midori – Josephs Ur-Ur-Enkelin und Benjamins Ur-Enkelin“, sagte Tony.  

„Es ist ein besonderer Moment, Sie alle hier zu sehen, denn es ist so selten, dass wir Stolpersteine verlegen, die an Menschen erinnern, die überlebt haben“, sagte Carsten Baum von der Stolperstein-Initiative Reinickendorf.

Stolpersteine dienen der Erinnerung. Glänzend stechen sie aus dem Kopfsteinpflaster heraus und gedenken an all jene, die rassistisch, politisch oder aus anderen Gründen im Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, in den Freitod getrieben oder vertrieben wurden. 

Der Künstler Gunter Demnig rief 1992 die „Aktion Stolpersteine“ ins Leben. Seitdem sind 116.000 dieser Steine in ganz Europa verlegt worden, davon etwas mehr als 200 in Reinickendorf. Und vier neue verlegte nun der Reinickendorfer Ulrich Duske im Beisein von rund 50 Bürgerinnen und Bürgern, den Nachfahren und Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner. „Wir feiern mit dieser Stolpersteinverlegung heute die Geschichte des Überlebens“, sagte die Bezirkschefin.

Schon am Freitag, 26. September, findet die nächste Stolpersteinverlegun statt. Um 11 Uhr wird am Eichborndamm 238 ein Stolperstein für Gerhard Voss verlegt. Er wurde am 9. März 1943 geboren und nur eineinhalb Jahre später in die „Kinderfachabteilung“ der „Städtischen Nervenklinik“ am Eichborndamm gebracht. Die experimentellen Untersuchungen, die an ihm vorgenommen worden sind, überlebte er nicht. Er starb an deren Folgen am 3. Dezember 1944. Im Anschluss an die Stolpersteinverlegung zu seinem Gedenken, kann man an einer öffentlichen Führung durch die Gedenkräume teilnehmen.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.