RAZ – Das Leitmedium für Reinickendorf.

ein Mann an einer Maschine
Ulrich Brucklacher an einer „Langmesserschleifmaschine“. Die Langmesser schneiden Papier. Kunden sind Druckereien und Buchbinder. Foto: bs

„Reich wird man damit nicht, aber es geht uns gut“

Ulrich Brucklacher, Familienunternehmer in fünfter Generation, sorgt für scharfe Werkzeuge

Gerade will Ulrich Brucklacher anfangen zu erzählen, dass er die Werkzeugschleiferei seiner Familie bereits in 5. Generation führt, da geht die Tür auf: Büroleiterin Ute Sommer braucht den Chef. Neben dem Betrieb in der Miraustraße haben sie noch einen Standort in Hennigsdorf. Dort gibt es ein Problem mit einer Schleifmaschine, die kein Kühlmittel mehr zieht. Selbst der angereiste Monteur aus Köln weiß nicht weiter. Brucklacher verspricht, sofort nach dem Termin mit der RAZ hinzufahren. Denn die gewerblichen Kunden warten auf scharfe Sägeblätter und Bohrer für ihre Maschinen.

Aus der Ruhe bringt ihn das nicht. Seit fast 30 Jahren ist der 46-jährige im Betrieb. Hier hat er als Lehrling nach der Mittleren Reife angefangen und auch seinen Meister gemacht. Bei seinem Vater hieß die Ausbildung noch „Messerschmied“, bei ihm Ende der 90er Jahre schon etwas umständlicher „Schneidwerkzeugmechaniker“. Heute bildet der Betrieb zu „Präzisionswerkzeugmechanikern“ aus. Davon gibt es nur wenige in Deutschland. Der letzte Azubi hat gerade ausgelernt und ist natürlich übernommen worden.

Für nächstes Jahr ist wieder eine Azubi-Stelle ausgeschrieben. Bewerbungen willkommen. Insgesamt gibt es acht Arbeitsplätze in der Zentrale in Reinickendorf und sieben weitere in Hennigsdorf. Davon sind zehn Werkzeugschleifer. Quereinsteigern gibt man gern eine Chance. Wie vielseitig der Beruf ist, beschreibt Brucklacher. Er hat das Schleifen von Werkzeugen gelernt, kann aber auch den Computer der fünf-achsigen CNC-Maschine programmieren. 

So ein Prunkstück kostet 500.000 Euro. Insgesamt sieben Stück haben sie davon. In einen hermetisch abgeriegelten Glasschrank wird das zu bearbeitende Werkzeug eingespannt. Die notwendigen Arbeitsschritte sind zuvor in den Computer eingegeben worden. Entweder werden Werkzeuge nachgeschliffen oder auch neu erstellt. Hauptsache der nun einsetzende Prozess wird gut mit Öl gekühlt. Sonst bleibt alles stehen, wie die Maschine in Hennigsdorf. 

Aber nicht alles wird vom Computer gesteuert. In einer Ecke der Werkzeughalle beugt sich ein Mitarbeiter über einen schnell rotierenden Schleifstein. Mit der Hand bringt er gewerblich genutzte Scheren wieder in schnittige Form.  Das ist aber die Ausnahme. Ansonsten werden beeindruckende Maschinen eingesetzt. Die Kunden sind Betriebe aus Berlin und der Umgebung. So arbeitet die Werkzeugschleiferei Brucklacher für MAN, Borsig und die Bundesdruckerei. Aber Brucklacher verlässt sich ungern auf wenige große Kunden. Insgesamt habe er 200 „aktive Kunden“, viele davon kleinere Handwerksbetriebe. Sein Ur-Urgroßvater übernahm 1860 in Kreuzberg ein Eisen-und Stahlgeschäft. Das war die Kernzelle der sich daraus entwickelnden Schleiferei. Unbeirrt hält die Familie über mehr als 160 Jahre an ihrem Unternehmen fest. In der Firmenchronik heißt es, dass auch „starke Frauen“ die „lange Familientradition“ geprägt haben. Nach dem Mauerbau wurden die Mieten für die Gewerberäume in Kreuzberg zu teuer. Die Eltern Gustav und Renate Brucklacher zogen mit dem Betrieb in die Miraustraße nach Reinickendorf. In Frohnau wohnten sie damals schon. 

Im Bezirk ist Ulrich Brucklacher fest verwurzelt: „Das ist meine Heimat.“ Auch seine Frau arbeitet im Betrieb. Ihre drei Kinder sind 14, 10 und 6 Jahre alt. So wie seine Eltern keinen Druck auf ihn ausgeübt hätten, die Familientradition fortzusetzen, so will er es auch halten. Er sieht jedoch für die hochspezialisierte Arbeit seines Betriebes durchaus eine Zukunft. Alle Werkzeuge, die nicht „von der Stange kommen“, erweckt sein Team zu neuer Schärfe. Brucklacher sagt: „Reich wird man damit nicht, aber es geht uns gut.“

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.