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ein altes Foto von einem Zeppelin Luftschiff bei der Landung
Zeppelin-Landung im Jahr 1909 in Tegel. Foto: Lemo

Besuch von ganz oben

Historisches – Als Graf Zeppelin einst in Tegel landete

Vor 125 Jahren machte das von Ferdinand Graf von Zeppelin entwickelte Luftschiff seine ersten Flüge über den Bodensee. Aber die folgenden Fehlschläge brachten den Adeligen bis an den Rand des finanziellen Ruins. Neun Jahre später jedoch war ganz Berlin aus dem Häuschen, als am 29. August 1909 das neuartige Verkehrsmittel über die Stadt schwebte. Die Landung auf dem Tempelhofer Feld war als Volksspektakel vorgesehen, dagegen waren auf der letzten Station des Luftschiff-Besuchs im Norden der Stadt nur geladene Gäste zugelassen. Die Presse warnte ausdrücklich: „Es ist daher zwecklos, dass das Publikum sich bemüht zum Tegeler Landungsplatze zu gelangen.“ Dennoch herrschte auch dort aufgeregtes Gedränge von Presse, Militär und Königlichen Hoheiten. 

Die „Tägliche Rundschau“ beschrieb das Szenario auf dem Tegeler Schießplatz: „Die etwa tausend Zuschauer haben sich dicht um den versammelten Hof geschart, und Offiziere zu Pferde haben ihre liebe Not, die Menschenmenge mit liebenswürdiger Energie wieder zurückzudrängen, denn irgendwo muss doch die Fregatte ihren Hafen finden.“

Gebannt verfolgten die Anwesenden jeden Handgriff: „Ein Seil wird von oben hinabgeworfen, das die Luftschiffer sofort ergreifen. Ein zweiter und dritter Strick folgen – und schon liegt das Luftschiff groß, majestätisch und fest an der Trosse. Die vordere Gondel berührt den Boden, die hintere folgt unter leichter Beihilfe nach.“ Der gesamte Vorgang dauerte drei Minuten. Als schließlich Graf Zeppelin kurz vor zwei Uhr aus der vorderen Gondel aufs Feld sprang, brandete Jubel auf. „Der Kaiser küsst dem Grafen die Wange, drückt ihm die Hand, klopft ihm immer wieder auf die Schulter.“

Jahre zuvor hatte der Monarch den emsigen Entwickler allerdings noch als den „dümmsten aller Süddeutschen“ verspottet. 

Der 1838 in Konstanz geborene Graf von Zeppelin erlebte auf einer USA-Reise in den 1860er einen militärischen Ballonflug, der seinen Erfindungsgeist weckte. 1891 verkündete er kühn in einer Petition an den württembergischen Hof, er „beabsichtige, demnächst ein Luftfahrzeug zu bauen, von deren Lenkbarkeit auch bei starken Windströmungen ich überzeugt bin.“ 

Trotz vielfach großer Begeisterung über den technischen Fortschritt herrschte allgemein noch große Skepsis, was die Eroberung der Lüfte anging. Doch der sichtbare Erfolg von Zeppelins Flugexperimenten bewirkte schließlich auch bei Wilhelm II. eine 180-Grad-Wendung und er empfing den Gast mit allem Pomp im Stadtschloss. Wie groß das Vertrauen in die neue Form der Fortbewegung beim Kaiser wirklich war, ist schwer zu beurteilen, denn die Einladung zu einem Flug lehnte er mit der Entschuldigung ab, seine Frau erlaube es ihm nicht.

Während beim Zeppelin-Besuch in der Hauptstadt alles wie am Schnürchen funktioniert hatte, war auf der Rückreise eine Notlandung erforderlich, da ein Propeller versagte. Im Ersten Weltkrieg setzte man die Luftschiffe auch für militärische Zwecke ein. Erst mit dem fatalen Unglück nach einer Atlantiküberquerung der „Hindenburg“ 1937 in New Jersey, bei dem 36 Menschen ums Leben kamen, hatte das Zeppelin als Verkehrsmittel ausgedient.

Boris Dammer