„Diese Hilfsbereitschaft menschlich Denkender in allen Ländern der Welt ist wie ein Lichtzeichen, das uns Hoffnung leuchtet in der Finsternis“, tönte es am 25. Dezember 1923 aus einer damals noch überschaubaren Anzahl von Rundfunkempfängern in der Weimarer Republik. Diese Worte sagte Reichskanzler Wilhelm Marx in der ersten deutschen Radio-Weihnachtsansprache. Lediglich zwei Monate zuvor war aus einer Kammer im Obergeschoss des Hauptsitzes der Schallplattenfirma Vox Musik die erste kommerzielle Sendung mit Musik für Klavier und Cello übertragen worden. Der historische Moment wurde mit folgenden Worten eingleitet: „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus, auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig.“ Aufgrund der grassierenden Inflation betrug die erste Rundfunkgebühr unfassbare 350 Milliarden Reichsmark. Bereits im Dezember 1920 war vom Funkberg Königs Wusterhausen als Experiment ein Weihnachtskonzert übertragen worden, doch erst mit der „Funkstunde“ aus dem Vox-Haus begann der dauerhafte Radiobetrieb. Anfangs überwog Skepsis, obwohl es in England bereits den Sender BBC gab und in den USA sogar schon 500 verschiedene Anbieter ums Publikum buhlten.
Auch hierzulande setzte sich das neue Medium in rasantem Tempo durch. Nachdem in Berlin zunächst vom Funkturm übertragen wurde, errichtete man in Tegel einen Sendemast zur Steigerung der Reichweite. Der 165 Meter hohe Holzturm an der Seidelstraße ging am 20. Dezember 1933 in Betrieb – mit der „Funkstunde“. Adolf Hitler, der sich zehn Jahre zuvor, während der Weihnachtsansprache von Kanzler Marx, im Gefängnis in Landsberg am Lech aufgrund seines gescheiterten Putsch-Versuchs befunden hatte, war inzwischen an die Macht gekommen und hatte sein Tausendjähriges Reich ausgerufen. Um sich politischen Einfluss zu sichern, führte die NS-Regierung die neun regionalen Anstalten zu einem Reichssender zusammen, dessen lokale Hörfunksender den jeweiligen Standort im Namen trugen: der „Reichssender Berlin“ ging am 1. April 1934 unter der Leitung des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda von Tegel aus auf Sendung. Die Weihnachtsansprachen zur NS-Zeit hielt Propagandaminister Joseph Goebbels. Die traditionelle Familienfeier sollte laut der NS-Ideologie nicht mehr als Fest des Friedens begangen werden, sondern „als Fest des nationalen Heldengedenkens“. Nach Kriegsende nahm der frisch gewählte Bundeskanzler Konrad Adenauer 1949, die Tradition der ursprünglichen Kanzler-Weihnachtsansprache übers Radio wieder auf und knüpfte dabei erneut an den Friedensgedanken an.
Als das Fernsehen langsam an Bedeutung gewann, ließ Bundespräsident Theodor Heuss am Silvestertag 1952 nach seiner Rede im Radio erstmals einen Bildschirmauftritt folgen. Erst zehn Jahre später wandte sich auch Adenauer mit seinem Weihnachtsgruß über das neue Medium ans deutsche Publikum. 1970 tauschten Kanzler Willy Brandt und Präsident Gustav Heinemann die Sendeplätze. Seitdem spricht der Bundespräsident immer am ersten Weihnachtsfeiertag und der Kanzler begrüßt das neue Jahr – parallel zur Übertragung durch ARD und ZDF auch weiterhin im Radio.
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