Bezirk – Einsamkeit könne „die Oma an der Kasse oder die Nachbarn“ betreffen und „vielleicht auch in der Familie“ vorkommen, sagt Annabell Paris auf einer Pressekonferenz im Rathaus von Reinickendorf. Sie trat am 1. Februar Ihre Stelle als Einsamkeitsbeauftragte im Bezirk an. Damit sei sie die erste Beauftragte dieser Art in einer deutschen Kommune, betont Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Bereits die Ankündigung dieser Stelle im vergangenen Herbst löste eine bundesweite Berichterstattung über Reinickendorf aus. Bei der Vorstellung von Annabell Paris sind unter anderen die Deutsche Presseagentur, Deutschlandfunk, Berliner Tageszeitungen und der rbb mit TV und Hörfunk vertreten.
Nachdem Paris und Demirbüken-Wegner die Aufgabe der Einsamkeitsbeauftragten im Bezirk umrissen haben, meldet sich die Reporterin vom rbb-Hörfunk und gesteht, dass sie immer noch nicht ganz verstanden habe, was Paris in Zukunft genau machen werde. Zuvor war viel von „Verwaltungsstruktur“, „Konzeptrahmen“, „runder Tisch“ und einem weiteren „Einsamkeitsgipfel“ im Dezember 2024 die Rede. Nein, lautet die Antwort, sie werde keine persönliche Sozialarbeit leisten und keine Sprechstunden abhalten. Aber wenn bei Annabell Paris einsame Menschen anriefen, werde sie diese an Stellen verweisen, die ihnen mit zielgerichteten Aktionen helfen können.
Solche Hilfsangebote gebe es bereits etliche in Reinickendorf. Jetzt sei es an der Zeit, sagt Demirbüken, „administrative Strukturen“ zu schaffen und die „Kräfte zu bündeln“. In Berlin würde inzwischen jeder 10. Einwohner unter Einsamkeit leiden. Statistisch gesehen heißt das für Reinickendorf, dass hier „26.600 Bürgerinnen und Bürger von Einsamkeit betroffen“ seien. Das seien nicht nur die Älteren. Auch junge Menschen zögen sich häufig zurück von der „sozialen Teilhabe“. Das Handy könne „in die Einsamkeit führen“. Auf dem 1. Einsamkeitsgipfel in Reinickendorf im Dezember 2022 wurde festgestellt, dass „besondere Problemlagen, wie zum Beispiel Hartz-IV-Bezug, steigende Armut und Altersarmut, instabile Familienstrukturen und gestörte Nachbarschaften weiter ansteigen.“
Paris sagt, sie sei „voll Demut vor der Aufgabe“. Die 39-Jährige ist im Wedding geboren und lebt seit 1986 in Reinickendorf. Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin habe sie bereits im sozialen Bereich als Bildungsbegleiterin Erfahrungen gesammelt. Von sich selbst sagt sie, dass sie „ein hohes Maß an Empathie“ habe und „viel Freude an der interkulturellen Arbeit“. Ein wichtiges Thema sei es, eine Vergütung für Ärzte zu erreichen, wenn diese Einsamkeit diagnostizierten. Bisher könne eine solche Krankheit nicht abgerechnet werden. Die Bürgermeisterin pflichtet bei, dass das dann auch ein Thema über den Bezirk hinaus für das Abgeordnetenhaus und für den deutschen Bundestag sei.
Demirbüken-Wegner, die von 2011 bis 2016 Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales war, fordert einen „Topf für Einsamkeit“, der vom Land mitfinanziert werden müsse. Sie sieht Reinickendorf als Vorreiter in Deutschland bei diesen Bemühungen. In Japan gebe es ein Einsamkeitsministerium. In Berlin hätten sich bereits zwei Bezirke bei ihr gemeldet, die dem Vorbild in Reinickendorf nacheifern wollen.