Es braucht nicht viel Fantasie, um sich die wuschelige Elo-Dame Malu mit den putzig-fransigen Stehohren als vierbeinigen Star einer Familienserie vorzustellen. Boxer-Doggen-Mischling Benz könnte gut und gern eine Art Huutsch „2.0“ für Tom Hanks sein, und Kurzhaardackel Speedy vielleicht in einem Werbespot die niedlich-lustige Stimmungskanone geben. Ihre Frauchen und Herrchen jedenfalls schnuppern mit ihnen in Pankow den allerersten Hauch von Film-Luft.
Es ist ein bedeckter Vormittag, im Hundecafé „Fellfreunde“ im Ortsteil Niederschönhausen hat Nadin Reimann einige Heizlüfter aufgestellt. Ihre Gäste sollen es gemütlich haben in den folgenden drei Stunden. Beim sogenannten „Filmhundetag“ können die angemeldeten Menschen mit ihren Vierbeinern heute erste Einblicke in die Welt von Film und Fernsehen nehmen und sich womöglich ein neues Hobby erschließen. Trainerin Reimann nutzt umgekehrt die Gelegenheit, frische Pfoten-Talente für Auftritte vor der Kamera ausfindig zu machen. „Ganz wichtig ist, dass den Hunden die bei Drehs oder Shows geforderten Aufgaben wirklich Freude bereiten“, betont sie gleich zu Beginn. „Die Arbeit mit ihnen gestalten wir immer positiv, freundlich, ohne Druck und Strafe, weil wir möchten, dass sie jeden Tag am Set als den besten ihres Lebens wahrnehmen.“

Mit „wir“ meint die Pankowerin das Team der in Sieversdorf, nordwestlich von Berlin, gelegenen Filmtierschule Harsch, in dem sie mitwirkt. Die Institution bildet diverse Haus- und sogar Wildtiere für große Auftritte aus. Waschbär „Bärli“ war zum Beispiel in einem „Bibi und Tina“-Film zu sehen, eine Ratte in „Er ist wieder da“ und eine Hündin in „Fack ju Göhte“. Auch Nadin Reimanns niedliche Papillon-Dame Penny ist bereits ein kleiner Star mit eigener Sedcard … und mit der Grund, warum die diplomierte Kommunikationswirtin überhaupt zu ihrer tierischen Filmpassion fand. „Bei einem Besuch im Filmpark Babelsberg 2020 lernte ich Astrid Harsch kennen. Ihre Schule präsentierte dort damals eine eigene Show für die Besucher.“ Dann kam ziemlich viel Zufall ins Spiel: „Ein Hund war ausgefallen, und so sprang ich mit Penny kurzerhand ein. Wir hatten sofort einen Riesen-Spaß.“ Aus dem Anfangsfunken wurde schnell mehr. Reimann besuchte Seminare und ließ sich zur Hundetrainerin ausbilden. Penny unterdessen hatte im Nu die erste tragende Vierbeiner-Rolle: als Wirbelwind namens „Lady Gaga“ in einer Episode der TV-Serie „Mirella Schulze rettet die Welt“.
Reinickendorf und Hollywood
Allerdings ist das Gespann auch für den guten Zweck im Einsatz: Bis letzten Herbst leitete Nadin Reimann hauptamtlich den Hundebesuchsdienst der Malteser mit Sitz am Eichhorster Weg, heute ist sie dort ehrenamtliches Mitglied. Die hier engagierten Menschen und Tiere schenken insbesondere Älteren und Pflegebedürftigen ein Stück Glück und Lebensfreude. Auch im Schulungsangebot der inzwischen komplett selbstständigen Pankower Trainerin gibt es Einheiten für Besuchs-, Schul- und Therapiehunde. Ihr Filmtrick-Kurs findet zweimal im Monat statt, Einstieg jederzeit möglich, und die auf acht Monate angelegte „Film Dog Academy“ legt alle wichtigen Grundlagen für die Arbeit am Set. „Die Menschen müssen unter anderem Drehbücher durchschauen, die Hunde zum Beispiel lernen, dass man vor Tonangeln weder Angst haben muss, noch in sie reinbeißen darf“, lacht die Fachfrau. Ganz selbstverständlich spricht sie von ihren Einsätzen in ganz Deutschland und darüber hinaus, von Drehs für große TV-Sender und Streaming-Dienste … ja sogar für Hollywood: Als Tiertrainerin war sie zum Beispiel bei „Die Tribute von Panem“ mit von der Partie.

Leckerlis im Dauereinsatz

Beim Schnuppertag in Niederschönhausen zeigt mittels Beamer zur Anschauung immer wieder einige Sequenzen verschiedener Produktionen, um diverse Anforderungen an Tier und Mensch einzuordnen. Die Frauchen und Herrchen schauen und hören zu, ihren fellnasigen Begleitern fallen zwischendurch schon mal die Augen zu. Wenn es aber an die praktischen Übungen geht, sind alle wieder hellwach. So kann vor dem Café ein neues Stop-Kommando ausprobiert werden, das irgendwann auch auf Distanz perfekt funktionieren sollte. Beim Dreh soll schließlich niemand ins Bild geraten, der da nicht hingehört. Zum Üben sind reichlich Leckerlies im Einsatz, die mit perfektem Timing gereicht werden müssen.
Mischlingshündin Lucky macht sehr eifrig mit. Auch Kraftprotz Benz lernt schnell, während der später dazugestoßene Paule mit den schönen blauen Augen erst mal noch etwas schüchtern ist. Beim Target-Kommando tut sich Dackel Speedy hervor. In Nullkommanix hat er die Vorderpfoten, wie verlangt, auf einer kleinen blauen Matte platziert. Und dann steht noch eine richtige „Szene“ an, wie sie in Krimiserien immer wieder vorkommt: das „Abschnüffeln“ einer vermeintlichen Leiche. Kurzerhand legt sich Nadin Reimann – „tot“, aber blinzelnd und Tipps gebend – mitten ins Café und lässt sich erst von Menschenhand mit Würstchen-Stücken garnieren und dann von suchenden und schmatzenden Hundemäulern wieder davon befreien. Im Anschluss gibt’s großes Lob für alle. Entsprechend steht für die Zweibeiner im Raum ganz klar der Spaß an der Sache im Vordergrund, das bekunden sie unisono …
„Und wenn einer euer Hunde nun die Hauptrolle in einem Remake von ‚Lassie‘ oder „Kommissar Rex‘ angeboten bekäme?“ Da strahlen die Gesichter und nicken die Köpfe ebenso gleichzeitig: Ja, das würde niemand ausschlagen! Und vielleicht ist ja unter Speedy, Benz, Malu, Lucky und Paule schon mindestens ein neuer aufgehender Stern am Hunde-Filmhimmel dabei?