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Weiße Gebäude
Ein echter Hingucker: Die Weiße Stadt strahlt mit dem blauen Himmel um die Wette.Foto: bod

Bedeutend auf vielen Ebenen

Historisches – Die Weiße Stadt und der Tag des Weltkulturerbes

Reinickendorf – „Vermitteln, verbinden, begeistern – 20 Jahre Welterbetag“: Unter diesem Motto fand am 1. Juni der Tag zum UNESCO Weltkulturerbe statt, der traditionell am ersten Juni-Sonntag gefeiert wird. Mitmachaktionen, Spezialführungen und weitere Veranstaltungen sollen auch schon Kinder und Jugendliche auf die Bedeutung der 54 Welterbestätten in Deutschland aufmerksam machen. 

Die offizielle Eröffnungsfeier für den bundesweiten Aktionstag fand in Hildesheim im Mariendom und der Michaeliskirche statt, die beide 1985 zum UNESCO Kulturerbe erklärt wurden. In Berlin bot die Museumsinsel dazu ein Bühnenprogramm, bei dem auch ihr 200-jähriges Jubiläum im Mittelpunkt stand. Noch nicht einmal halb so alt ist die Weiße Stadt in Reinickendorf, die vormittags eine Führung zum Gedenktag anbot. 

Seit 2008 ist auch sie Teil des Weltkulturerbes, gemeinsam mit fünf weiteren Berliner Siedlungen aus der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. In der Begründung heißt es: „Die sechs Berliner Siedlungen sind außergewöhnlicher Ausdruck einer Wohnungsreformbewegung, die einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen in Berlin geleistet hat.“ Dazu gehören die Hufeisensiedlung in Britz, die Gartenstadt Falkenberg, die Schillerpark-Siedlung im Wedding, die Wohnstadt Carl Legien und Siemensstadt.

„Die Siedlungen der Berliner Moderne zeugen auf außergewöhnliche Weise davon, wie die Wohnungsbaupolitik in der Zeit von 1910-1933 umgesetzt wurde – insbesondere während der Weimarer Republik, als Berlin sich durch seine politische, soziale, kulturelle und technische Fortschrittlichkeit auszeichnete.“ Die Weiße Stadt mit über 1200 Wohnungen entstand zwischen 1928 und 1931. 

historisches Portrait
Weiße-Stadt-Architekt Otto Rudolf-Salvisberg im Portrait

Der Masterplan stammte vom Architekten Otto Rudolf Salvisberg, der 1882 in der Schweiz zur Welt kam und 1908 nach Berlin zog. In Frohnau ist das Haus Winkler von ihm zu bewundern. Bruno Ahrends war einer seiner beiden Mitstreiter bei dem Großprojekt in Reinickendorf. Sein für die eigene Familie entworfenes Haus in Dahlem dient heute der Bundestagspräsidentin als Dienstvilla. In der NS-Zeit erhielt Ahrends aufgrund der Rasse-Gesetzte Berufsverbot und verließ Deutschland 1938. Der Dritte im Bunde war Wilhelm Büning, der drei Jahre zuvor die Siedlung Tile-Brügge-Weg in Tegel entworfen hatte.

Den Zweiten Weltkrieg überstanden die sechs Siedlungen relativ unbeschadet. Ein Denkmalschutzgesetz von 1975 trug entscheidend dazu bei, dass trotz kleinerer Umbauten und Veränderungen im Innern, ein „hohes Maß an Integrität und Authentizität“ beibehalten wurde. Denn dass so eine Auszeichnung nicht nur positive Aufmerksamkeit, sondern auch Verpflichtung mit sich bringt, zeigte das Beispiel Dresdener Elbtal, das 2009 durch einen nicht abgestimmten Brückenneubau von der Kulturerbe-Liste gestrichen wurde. So gilt es, die Weiße Stadt auch in Zukunft so originalgetreu wie möglich zu erhalten, aufgrund ihrer „historischen, architektonischen, künstlerischen und sozialen Bedeutung“.

Boris Dammer